Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

innerster Überzeugung hatte
er damals den Treueeid auf die Bundesrepublik geschworen, auf Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit. Dieses Land war für ihn immer der Garant der Menschenwürde
gewesen. Das kommunistische Krebsgeschwür gleich nebenan hatte er immer gehasst
und war heilfroh gewesen, als dieser Spuk endlich vorbei war.
    Leider
ist die Welt keinen Deut sicherer, denkt er, als er voll Aktivität sein Büro
betritt und auf die Brief- und Aktenberge blickt, die sich wie üblich auf
seinem Schreibtisch türmen. Die im Kanzleramt würden staunen, wenn die nur den
Bruchteil von meinem Papierkram lesen müssten.
    Obermayr
fährt seinen Computer hoch. Sein Chef möchte unbedingt, dass in dem wöchentlichen
Kanzlerbericht eine genaue Einschätzung der Ereignisse von Kiel enthalten ist.
Der Anschlagsversuch auf das israelische U-Boot hatte Berlin kalt erwischt und
seiner Abteilung höchstes Lob eingebracht. Die erfolgreiche Verhinderung dieser
nationalen Katastrophe wurde vom Bundeskanzler persönlich über den grünen Klee
gelobt. Nicht auszudenken, wenn israelische Staatsbürger in Deutschland getötet
worden wären, hatte er immer wieder betont.
    Im
Nachhinein findet Obermayr es geradezu genial, dass seine Behörde durch seine
geschickte Anwesenheit in der Soko Husum noch einmal mit einem blauen Auge
davongekommen ist.
    Wer
hätte auch ahnen können, dass der Todesengel nicht von den eigenen
Leuten liquidiert worden war, denkt er. Ein griechischer Zypriot ermordet aus
Rache einen Türken, der gerade einen Terroranschlag plant. Ich glaub das noch
immer nicht! Es erklärt aber das Chaos, das danach entstanden sein muss. Der
Anführer taucht nicht mehr auf. Der Rest flüchtet aus dem Unterschlupf und
ermordet das Entführungsopfer. Dann blasen sie in Panik ihre geplante Aktion
gegen die Entwicklungsabteilung der Kieler Werft ab. Sie haben wahrscheinlich
gesehen, dass dort erhöhte Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden. Womit wir
alle nicht gerechnet haben, der parallele Anschlag lief unbemerkt weiter. Das
wäre beinahe ins Auge gegangen. Welch ein Glück, dass ich am entscheidenden
Schlüsselpunkt saß. Ein Leichtes, den Kriminalrat in Husum davon zu überzeugen,
dass BND und BKA die Sache die ganze Zeit fest im Griff gehabt hatten und ihr
kleiner Kommissar nur zufällig dazwischen gefunkt hatte. Und nur weil ich vor
Ort war, konnte ich diesem Colditz sogar den Einsatz aus der Hand nehmen und
persönlich den Hubschraubereinsatz mit den Scharfschützen anleiern. Dadurch sah
alles so aus, als wenn es von Anfang an von uns so geplant gewesen war.
    Vor
Obermayrs innerem Auge taucht der grauhaarige Kommissar auf, der mit mehr Glück
als Verstand die Terroristen stoppte.
    Ein
kleines Bauernopfer, denkt er und erstickt das schlechte Gewissen im Keim. Der
wird’s schon überleben. Das Ansehen unserer Behörde stand auf dem Spiel. Ein
Fehler, und wir stehen im Sturm der Öffentlichkeit. Wir sind auf solche Erfolge
angewiesen! Eine popelige Polizeiinspektion in der Provinz braucht so was
nicht!
     
    Der BND-Mann greift sich den obersten Brief aus dem Stapel, ratscht ihn
mit dem Brieföffner auf und nimmt den Inhalt heraus. Er faltet den Papierbogen
auf. Seine Eulenaugen fliegen über das Schriftstück.
     
     
    Reg. 71-321
     
    0013.67/4392
     
    01.11.2001 Nr.                 einzige Ausfertigung
     
    Kiel
    Chef der Verwaltung für Koordinierung und Operative Information
    Stellvertreter des Direktors -
     
    RAPPORT
    Zu Ihrer Kenntnis mein Bericht über die Situation und den Ausblick nach
dem Einsatz Kiel und die Zusammenarbeit mit unserer Quelle aus Göteburg Chiffre
000-31/741. Kontakt 23-008-99 vom Februar 1999.
    Zurzeit
ist die Quelle beunruhigt, dass eine Enttarnung seiner Identität nach der
gescheiterten Aktion in Kiel möglich sein könnte. Das hängt mit dem
erforderlichen Einsatz der Quelle im Umfeld seiner Glaubensbrüder außerhalb
seines Aufenthaltslandes zusammen. Damit wird die Verbindung gelockert, um eine
unmittelbare Gefahr von der Quelle fernzuhalten.
    Die
Einreise der Zielfigur, bei uns als ›der Kommandant‹ geführt, kann bestätigt
werden. Qualität der erhaltenen Information s. Anlage 1-0001.65/4231-1.
    Die
Quelle konnte sich in die Nähe der Zielperson (Kommandant) bringen. Der
Aufenthaltsort war uns über lange Strecken bekannt. Am Morgen des 26. Oktober
verlor sich seine Spur nach dem morgendlichen Besuch der Moschee, worüber
detailliert in der Analyse v. 30. 10. 01