Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
warst schon ziemlich absorbiert den ganzen Abend.«
»Jean-Claude ist …!«
»Jean-Claude?«
»Jean-Claude
ist äußerst charmant, finde ich. Wir haben sehr nett miteinander geplaudert. Er
ist beeindruckend. Was er schon alles gemacht hat. Wusstest du, dass er früher
mit dem Auto bis nach Indien gefahren ist?«
»Ja,
weiß ich«, entgegnet Swensen gereizt.
»Sag
mal, Jan, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
»Es
sah so aus, als ob ihr euch schon eine Ewigkeit kennt.«
»Du
sollst dir die Dinge nicht so anschauen, wie sie erscheinen, sondern wie sie
wirklich existieren, liebster Jan!«
»Was
macht dein Neu-Griechisch?«
»Ist
das Thema Jean-Claude damit beendet?«, hakt Anna nach.
»Ich
denke schon, oder?«
»Jan
Swensen, ich kenn dich nicht wieder!«
»Ich
denke, du hast die Dinge erkannt?«
»Adam
erkannte sein Weib Eva, so steht’s in der Bibel«, sagt Anna augenzwinkernd.
»Ich
finde, du solltest heute über Nacht bei mir bleiben, damit wir diese Erkenntnis
nachvollziehen können«, sagt Swensen trocken.
»Okay, dann kann ich dir
ja schon mal Ŝ ayapo sagen.«
Swensen
guckt Anna verwundert an.
» Ŝ ayapo heißt
›ich liebe dich‹!«
»Neu-Griechisch?«
Anna
nickt vielsagend.
»Unsere
Lehrerin weiß, worauf es ankommt.«
Sie
fixiert Swensen mit einem gespielt schmachtenden Blick. Der hebt die Hand,
damit Bruno die Rechnung bringt. Auf dem Weg zum Auto schmiegt Anna sich an
Swensens Seite.
»Wenn
eure Griechischlehrerin euch so wesentliche Dinge über die Liebe beibringt,
kann sie sicher gut von den Volkshochschulkursen leben.«
»Nein,
das kann sie nicht. Aber ihr Mann hat ein griechisches Restaurant, das Aphrodite ,
Marktstraße, Ecke Aldolf-Brütt-Straße.«
»Griechen!«
Swensen bleibt plötzlich abrupt stehen. »Die Griechen haben wir bei unseren
Ermittlungen völlig außer Acht gelassen.«
Warum
eigentlich, denkt er. Es gibt reichlich griechische Restaurants, allein drei in
Husum. Die Hand könnte auch griechisch sein. Vielleicht geht es doch um
Schutzgelder.
»Jan
Swensen, ermittelst du schon wieder heimlich?«
»Ich
werde doch wohl kurz nachdenken dürfen.«
»Okay,
wenn du schon wieder arbeitest, würde ich dich gern um etwas bitten. Am
Mittwoch haben zwei deiner Beamten die Tochter meiner Griechischlehrerin nach
Hause gebracht. Die Frau war völlig aufgelöst. Das Mädchen ist die jüngste,
noch keine sechzehn. Man hat sie in einer Disco mit zwei Pillen Ecstasy aufgegriffen. Kannst du da was machen?«
»Was
soll ich denn da machen?«
»Na,
mal als Kommissar mit ihr reden, wie schädlich Drogen sind.«
»Das
sollten schon ihre Eltern übernehmen. Sie wird ja extra von der Polizei nach Haus
gebracht, damit grade die Eltern mitbekommen, was ihre Tochter so treibt.«
»Schade,
aber stimmt natürlich.«
»Und
ich würde jetzt auch viel lieber mit Neu-Griechisch weitermachen. Wie hieß noch
dieser schöne Satz …?«
*
Swensen hat Mühe, dem kleinen Glatzkopf im grauen Kittel zu folgen, der
wieselgleich vor ihm die knarrende Holztreppe hinaufstürmt. Der Hausflur ist
selbst am Tag düster. Die Farbe an der Wand ist so alt, dass sie nicht mehr
eindeutig bestimmt werden kann. Der Kommissar fühlt sich zerschlagen und
ausgepumpt. Ein pochender Schmerz hämmert in seinem Kopf und in seinem Rücken
sticht es jedes Mal, wenn er eine Stufe nimmt.
Bis
um 0.30 Uhr war er gestern Abend aufgeblieben, um noch das RTL-Nachtjournal zu sehen. Knapp vier Wochen hatte er täglich mit diesen Bildern gerechnet,
manchmal schon geglaubt, sie könnten einfach ausbleiben. Doch seit dem letzten
Sonntag waren sie Wirklichkeit. Schwarze B-52-Bomber schwebten wie unheilvolle
Zigarren über dem blauen Himmel von Afghanistan und ließen todbringende Fracht
aus ihren Rümpfen fallen. Detonationen setzten ganze Rauchwände in die
Berglandschaft. Daneben lagen unzählige gelbe Päckchen verstreut in einer
kargen Sandebene. »Transportflugzeuge haben rund 35.000 Lebensmittelrationen
über bewohntem Gebiet abgeworfen«, kommentierte eine neutrale Reporterstimme.
Der Hausmeister stoppt neben der rechten Tür im dritten Stock.
»Hier
wohnt der Mann«, sagt er und holt zögerlich einen Schlüsselbund aus der
Kitteltasche. »Sie sind doch auch wirklich von der Polizei?«
»Hauptkommissar
Swensen von der Kripo in Husum!«
»Nichts
für ungut, Herr Kommissar. Aber ich wundere mich etwas, dass sie nicht hier aus
Kiel sind. So ein Foto von Herrn Hafside könnte mir schließlich jeder
Weitere Kostenlose Bücher