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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Koffern verstauen.
Swensen geht ins Schlafzimmer und macht sich über die Aktenordner her. Die
Papiere sind offensichtlich gründlich durchgesehen worden. Viele Blätter sind
einfach herausgerissen worden. Reste von Papier hängen an den Lochklemmen.
    »Wer
hat hier was gesucht?«, murmelt Swensen vor sich hin. Die Matratzen auf dem
Bett sind zerstochen. Überall liegen Federn, die aus den zerrissenen Kopfkissen
stammen müssen. Vor dem offenen Kleiderschrank türmt sich ein Berg Kleidung.
Daneben steht ein kleiner Computertisch, auf dem keine Geräte stehen. Jemand
scheint sie mitgenommen zu haben.
     
    *
     
    Annas Lippen streifen sanft über Swensens rechtes Ohrläppchen. Er hört
ihren schweren, rhythmischen Atem. Bei jedem Schritt versacken seine nackten
Füße bis zu den Knöcheln im weißen Dünensand. Anna hat ihre Arme von hinten
fest um seinen Hals geschlungen, lässt sich mitziehen, während er mit ihrem
Gewicht im Rücken versucht, den Sandhügel zu erklimmen. Der Wind kommt von der
See, bläst die Halme des Strandhafers in sein Gesicht. Die Pflanzenhalme
peitschen ihm quer über die Nase, Schlag auf Schlag. Reflexartig schließt er
die Augen. Anna klammert sich noch fester. Sie ist schwer wie ein Mehlsack. Er
kämpft sich nach oben, bis er merkt, dass nur noch der Wind seine Haut trifft.
Er öffnet die Augen wieder. Vor ihm liegt die graubraune Wattebene bis weit an
den Horizont. Der Strand ist voller Männer, die schwarze Mäntel und Melonen auf
dem Kopf tragen. Sie halten ein Seil in ihrer rechten Hand und starren
regungslos in die Luft. Über ihnen kleben rote und gelbe Papierdrachen am
blauen Himmel. Swensen spürt, wie sich etwas um seine Brust legt. Er verharrt
auf dem Dünenhügel. Das Geschehen vor ihm strahlt etwas Unheilvolles aus. Es
ist, als würde er einen verbotenen Blick auf Sodom und Gomorrha werfen und zur
Strafe in eine Salzsäule verwandelt werden. Annas Gewicht im Rücken ist
verschwunden. Doch er kann sich nicht umdrehen, weiß nicht, wo sie geblieben
ist. Plötzlich kommt alles wieder in Bewegung. Die schwarzen Gestalten am
Strand laufen aufgeregt hin und her. Selbst die Papierdrachen wechseln jetzt
ruckartig ihren Standort. Swensen fällt es schwer zu atmen. Das Herz scheint
nur noch schwach zu schlagen. Hinter ihm klingt das monotone Sirren der
Windharfe, die der Wind auf den Gräsern des Strandhafers spielt. In seinen
Ohren beginnt es zu rauschen. Ein unangenehmer Ton, der stetig lauter wird.
Jetzt schlägt er in ein feines Brummen um. Doch das Geräusch ist nicht in
seinem Kopf, es kommt von außen, wandelt sich zu einem deutlichen Motorengeräusch.
Mit rasantem Tempo nähert es sich und schon fliegt etwas Undefinierbares
haarscharf an Swensens Kopf vorbei. Es rast in weitem Bogen über die
Papierdrachen hinweg. Jetzt erkennt er es, ein Modellflugzeug. Der Nachbau
eines silbergrauen Mustang P-51D steigt steil nach oben, dreht kopfüber
einen Looping und geht in einen Sturzflug über. Swensen sieht, wie sich der
Vierblattpropeller um die Nabe dreht, wie sich der Jagdflieger aus dem Himmel
löst und schnurstracks auf ihn zuhält. Die Zeit beginnt sich zu dehnen, kommt
fast zum Stillstand. Die Metallflügel blitzen gefährlich in der Sonne. Swensen
wird so stark geblendet, dass er die Augen zusammenkneift. Schon ist das grelle
Licht heran, prallt in Herzhöhe auf seinen Körper und verschwindet lautlos
darin, als würde es in ein Stück Butter gleiten. Er spürt keinen Schmerz,
schaut verwundert auf seinen unversehrten Brustkorb, will ihn mit der Hand
abtasten und sieht nur noch einen Armstumpf. Die Hand am rechten Arm fehlt.
Entsetzt reißt er die Augen auf.
     
    Es ist dunkel, nur durch die geschlossenen Jalousien vor dem Fenster
blitzt ein roter Lichtschein. Das Kopfkissen ist klamm vor Feuchtigkeit. Er
greift nach seiner rechten Hand, merkt dass sie schweißnass ist und richtet
sich mühsam im Bett auf. Sein Nacken ist steif. Das Herz schlägt bis zum Hals.
Die Finger tasten zum Lichtschalter der Nachttischlampe. Der Anblick des
schmucklosen Zimmers bringt ihm die sofortige Gewissheit, dass er sich in Kiel
befindet. An der Wand, direkt gegenüber, hängt das übliche Hotelbild: Albrecht
Dürers Feldhase.
    Mielke
und er hatten gestern spätabends in der Kieler Sprotte eingecheckt.
Swensen kennt das Hotel. Bei Ermittlungen in der Landeshauptstadt übernachtet
er öfter hier.
    Bis
zum späten Nachmittag waren sie in der Wohnung des Mordopfers gewesen. Doch
trotz intensiver Suche

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