Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Aussehen eines zottigen Yetis gab. Ein
schwarzer Armstumpf ragte aus dem Jackenärmel.
Genervt
dreht er sich auf den Bauch. Hinter ihm wühlt sich eine Hand unter seine Decke
und tastet nach seiner Schulter, streift langsam den Rücken hinab und fasst
seine rechte Pobacke. Er dreht seinen Kopf herum. Annas graublaue Augen sprühen
ihn an.
»Du
bist schon wach?«, fragt er erstaunt. »Es ist früh am Morgen!«
»Früher
Vogel fängt den Wurm!«, flüstert sie und gleitet mit der Hand zu seinem Bauch.
»Lass
das lieber!«, flüstert er und hält ihre Hand fest.
»Was
ist, Geliebter! Hast du dich so sehr verausgabt?«
»Können
wir das nicht einfach vergessen?«
»Warum
sollten wir?«
»Lass
das jetzt! Es ist mir unangenehm, … irgendwie!«
»Unangenehm?«
»Na
ja, das war … unangenehm eben! Ich fürchte, das war vielleicht ein bisschen zu
…!«
»Du
meinst, das war ziemlich wild.«
»Also
…, ja! Fandst du nicht?«
»Ich
fand, dass es sehr geil war!«
*
Als Swensen auf den unbeschrankten Bahnübergang von Harblek zusteuert,
zuckt das Blinklicht. Er bremst den Wagen herunter, während Anna die
Musikkassetten im Handschuhfach durchwühlt und bald verzweifelt aufgibt. Durchs
linke Seitenfenster sieht der Kommissar, wie der Triebwagen an der Bahnstation
anfährt und mit zwei schrillen Pfiffen langsam über die Straße in Richtung
Husum rollt. Kurz darauf erlischt das Blinklicht, er fährt an. Im selben Moment
setzt sich der ermittelnde Kommissar in seinem Nacken fest. Er verspürt das
starke Bedürfnis zu stoppen und sich den Bahnsteig anzusehen. Gleichzeitig ahnt
er, dass Anna das nicht gut finden würde.
Lass
es, denkt er, Mielke hat sich die ganze Gegend hier schon längst vorgenommen.
Er
ärgert sich über sein ewiges Kontrollbedürfnis und biegt nach links auf die
Querverbindung Richtung Kotzenbüll. Die schnurgerade Hauptstraße ist einen
Hauch zu schmal, so dass man bei Gegenverkehr, besonders bei überbreiten
Mähdreschern, höllisch aufpassen muss. Das kleine, einsame Bauernhaus, das
versteckt hinter einer Baumgruppe an der Straße steht, weckt bei ihm abermals
den Impuls anzuhalten. Aber auch hier erinnert er sich gleich, dass Mielke in
einer Sitzung bereits von dem Anwesen berichtet hatte und dass es zurzeit nicht
bewohnt wird. Nichts Ungewöhnliches auf Eiderstedt. Die schönsten Ferienhäuser
haben sich die Reichen aus Hamburg oder Berlin schon lange unter den Nagel
gerissen, und die stehen nicht selten monatelang leer. Allerdings liegt dieses
Gebäude nur zirka zwei Kilometer von Harblek entfernt. Dazu liegt es so, dass
es kaum beachtet wird. Auf der geraden Straße prescht der Verkehr hier mit
Vollgas vorbei.
Keine
schlechte Tarnung direkt neben der Straße, grübelt Swensen. Wer kommt schon auf
die Idee, hier anzuhalten.
Er
erreicht die Bundesstraße 202 und biegt nach rechts in Richtung St. Peter ab.
Im selben Moment schwebt ein Graureiher mit ausgebreiteten Flügeln auf den
Kirchturm von Kotzenbüll zu.
»Ich
glaub, der muss zum Reihern nach Kotzenbüll«, sagt Anna trocken und grinst
schnippisch über ihren eigenen Witz. Swensen muss laut losprusten und kriegt
sich auf der Weiterfahrt vor Lachen kaum wieder ein. Am Horizont ziehen von See
her dunkle Wolken auf. Mitten in Katharinenherd erwischt sie ein kräftiger
Schauer. In Garding ist der Himmel aber schon wieder strahlend blau. Kurz vor
Tating verlässt Swensen die Bundesstraße. Er steuert nach links in Richtung St.
Peter-Böhl, kreuzt noch einmal im Schritttempo die Bahnstrecke der
Nord-Ostsee-Bahn. Zehn Minuten später überquert sein Polo in Böhl den
Außendeich. Auf einem schmalen Teerweg geht es durch die Salzwiesen bis zum
Autostrand. Swensen parkt nicht weit von der Seekiste entfernt, eines
der typischen Pfahlbauten-Restaurants hier vor der Nordseeküste.
»Sollen
wir nicht lieber die Regenjacken mitnehmen?«, fragt Anna, bevor sie aussteigt.
»Es sind Schauer angesagt!«
»Warum
sollen wir die mitschleppen?«, meint Swensen und deutet zum Himmel. »So weit
man gucken kann, kein Wölkchen zu sehen.«
Sie
ziehen ihre Schuhe aus, legen sie in den Kofferraum und starten barfuss die
Wanderung durchs Wattenmeer. Der graue Schlick ist an dieser Stelle steinhart.
Die Rippeln massieren bei jedem Schritt angenehm die nackten Fußsohlen. Weit
sichtbar, kurz hinter dem Deich, steht der graue, zylindrische Leuchtturm. Ohne
ein Wort gehen sie dicht nebeneinander. Keine zwanzig Minuten später quellen
graue Regenwolken
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