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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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vorzunehmen.
     
    *
     
    Maria Teske schreitet geräuschvoll durch das neue Husumer Rathaus. Sie
ist ungehalten. Das Interview mit dem Leiter der Asylstelle hat sie in ihrer
Recherche kein Stück weitergebracht. Beim Verlassen des Gebäudes streift ihr
Blick kurz die Rathausuhr, die an einem Gebilde aus vier Stahlstangen direkt neben
der Eingangstür hängt. Es ist wenige Minuten nach elf.
    Die
Pfahlkonstruktion soll den ehemaligen Rathausturm der Stadt andeuten.
Seinerzeit hatte der eigenwillige Entwurf die Gemüter in der Bürgerschaft über
alle Maßen erregt. Noch heute halten viele Husumer den Turm für Firlefanz,
ebenso wie die beiden Gebäudetrakte der Stadtverwaltung. Die Journalistin sieht
darin die übliche Ignoranz gegenüber moderner Architektur, das übliche
Stammtischgewäsch aus dem Mund kleingeistiger Provinzler. Sie empfindet den
Neubau mit seiner maritimen Anmutung als überaus gelungen, besonders weil er
einen klaren Bezug auf das ehemalige Werftgelände hier am Hafen nimmt. Der
gebogene Schwung der Fassade ist gekonnt an die Form der Kaimauer auf der
gegenüberliegenden Hafenseite angepasst. Dazu die Kombination mit den hellen
Steinen und der rötlich-blauen Verklinkerung, die an das interessante Gebäude
der Neuen Flora in Hamburg erinnert, das Musical-Theater, in dem sie
erst letzte Woche Das Phantom der Oper gesehen hatte.
    Eine
grelle Autohupe reißt sie aus ihren Gedanken. Sie steht erschrocken vor einem
dunkelblauen Toyota Calica. Der braungebrannte Fahrer meckert sie, wild mit den
Armen fuchtelnd, aus seinem Cabrio heraus an.
    »Heeh,
biste lebensmüde! Sei froh, dass ich Schritttempo fahre!«
    Ist
ja gut, alter Macho, denkt sie, kannst noch genug die Uferpromenade
entlangprotzen.
    Maria
zieht demonstrativ ihre rote Lederjacke aus, hängt sie gemächlich über die
Schulter, räumt im Schneckentempo die Straße und verschwindet in der Twiete,
einer winzigen Gasse, die den Hafen mit der Innenstadt verbindet. Als sie den
Markplatz überquert, beschließt sie spontan, sich nicht gleich wieder hinter
ihren Schreibtisch zu hocken, sondern noch schnell ein Geburtstagsgeschenk für
ihre Schwester zu besorgen.
    Für
einen 15. Oktober ist es ziemlich warm, denkt sie, Indian Summer .
    Sie
geht zurück in Richtung Karstadt, fingert umständlich nach der Packung Cohiba
Minis in ihrer Jackentasche, lässt sie aber doch stecken.
    Ich
sollte endlich weniger rauchen.
    Der
Ziegelsteinkasten von Karstadt, an dem sich ein graues Betonvordach über die
gesamte Fassade zieht, ist einfach potthässlich. Schon von weitem riecht Maria
die penetranten Ausdünstungen der Pommes-Bude im Eingangsbereich. Sie quält
sich durch eine Schar Jugendlicher, die auf den Bus wartet. Gleich hinter der
Eingangstür beginnt die Kosmetikabteilung, ein eklatanter Wechsel für jeden
Geruchssinn. Wie eine Barriere versperren die Düfte von Rosenöl und Moschus den
Weg. Die drei jungen Verkäuferinnen in dunkelblauen Blazern mit reichlich
Goldschmuck sind nach dem Geschmack der Journalistin gnadenlos überstylt.
Unentschlossen begutachtet sie das Repertoire von Chanel, Dior, Lauder,
Clinique, Guerlain, alles Namen, kreiert für die Modelschönheiten der internationalen
Laufstege.
    »Kann
ich Ihnen behilflich sein?«
    Das
makellose Gesicht der Verkäuferin, ihre gezupften Augenbrauen, die ellenlangen
Augenwimpern und der knallrot geschminkte Mund verursachen bei Maria einen
kurzen Anflug von Neid. Vom Outfit her könnte die aufgedonnerte Frau ihre
kleine Schwester sein. Die Journalistin hat sich selbst zwar nie hässlich
gefunden, aber vom Schönheitsideal der Illustrierten war sie immer meilenweit
entfernt geblieben. Von Anfang an setzte sie darauf, ein unverwechselbarer Typ
zu sein, der natürlich auch die Weibchenrolle beherrschte, wenn es um eine
Story ging.
    »Ich
suche ein besonderes Parfüm.«
    »Soll
es für Sie sein?«
    »Nein,
nicht für …, was nehmen Sie selbst für eins?«
    Die
Verkäuferin nimmt einen weinroten Probeflakon aus einem Regal, sprüht einen
Hauch auf einen Teststreifen und hält ihn Maria unter die Nase.
    »Orientalisch
blumig, süße Vanille, Jasmin, Narzisse, Rose.«
    Einen
Moment hat sie das Gefühl, als stecke ihre Nase tief in einem Blumenstrauß.
Danach wird der Geruch angenehm mild.
    »Samsara
von Guerlain, ein richtig edler Duft, dazu ein wunderschöner Flakon. Der
Verschluss stellt das Auge des Buddhas dar.«
    »Ich
nehme es. Wie teuer?«
    »Hundertneunundzwanzig
Mark!«
    Sie
schluckt kurz. Die

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