Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
rstes
hatten sie mehrere Zeitungshändler in der Stadt ausgeschaltet. Danach hatte
sich niemand mehr getraut Zeitungen zu verkaufen. Wer nach seiner Aktion eine
Zeitung haben wollte, hatte sie sich ab da in der Kantine der Polizei besorgen
müssen. Auf die türkische Polizei war Verlass gewesen. Sie hatten seine
illegalen Operationen, soweit sie es nur konnten, geduldet.
»Der
Feind meines Feindes ist mein Freund«, hatte ihm mal ein Kommandant der
Gendarmerie persönlich gesagt.
Entschlossen packte seine Hand den Griff des Revolvers. Sein Zeigefinger
umspannte den Abzug. Mit einem Ruck stand er auf und trat entschlossen hinter
den Mann. Der führte gerade das Teeglas an den Mund. Osman sah noch, wie der
Çay golden in der Sonne leuchtete, drückte dem Verhassten den Lauf der Waffe
unter das linke Schulterblatt, beugte sich herab und flüsterte ihm ins Ohr:
»Das ist für dich, du elender PKK-Bastard!«
Der
Knall explodierte in die Geräusche der Straße. Der Körper von Hashim Yemosch
zuckte zusammen und fiel nach vorn. Sein Kopf schlug hart auf die Tischplatte.
Das Teeglas fiel ihm aus der Hand und zerschellte am Boden. Blut quoll unter
dem Körper hervor und bildete eine Lache auf der Holzfläche. Die Männer an den
Nebentischen starrten stocksteif auf das Geschehen.
Der
Attentäter nutzte den kurzen Moment des Schreckens für sich. Er stürzte vor die
Tür, steckte die Pistole ein und eilte mit ausladenden Schritten die Straße
hinauf. Hinter ihm setzte ein markerschütterndes Geheul ein, immer mehr
Menschen schrien: »Haltet ihn! Haltet den Mörder!«
Mit
fuchtelnden Armen rannten einige Männer hinter ihm her. Er fühlte, wie die Wut
mit gierigen Armen nach seiner Schulter greifen wollte. Seine Beine begannen
wie von selbst zu laufen. Jemand stellte sich ihm in den Weg und versuchte
seinen Arm zu packen. Er schlug dem Angreifer die Faust mit solcher Wucht ins
Gesicht, dass ihm das Blut aus der Nase spritzte. Außer Atem erreichte er die
Gendarmeriestation an der nächsten Straßenkreuzung und stürzte an den zwei
verdutzten Unteroffizieren, die im Kampfanzug mit roter Armbinde blasiert vor
der Tür standen, vorbei ins Innere.
»Ich
brauche Hilfe! Osman Cevik aus Batman! Hiz-bullah! Mich hat gerade ein PKK-Mann
angegriffen! Ich habe ihn erschossen! Notwehr!«, kreischte er den fülligen
Gendarmerieleutnant an. Auch der trug die rote Armbinde mit der Aufschrift Jandarma und hing weiterhin lässig in seinem nach hinten gekippten Lehnstuhl. Durch das
Fenster fielen schräge Sonnenstrahlen und zogen einen breiten Lichtstreifen
quer durch den Raum, der auf das Bild von Mustafa Kemal Atatürk in
Generals-uniform traf. Auch die türkische Nationalflagge darüber wurde vom
Licht erfasst und brannte feuerrot. Während der Gendarm wie gelangweilt zum
Telefon griff, drang von draußen das Gebrüll einer größeren Menschenmenge
herein, das hörbar anschwoll. Plötzlich fielen zwei Schüsse, und es wurde
schlagartig wieder ruhig.
»Ich
habe hier einen Hizbullah-Kämpfer aus Batman! Den hat einer von der PKK
angegriffen! Ja, der Mann soll tot sein! Erschossen! … Gut! … Zu Befehl!«
Der
Gendarm winkte, in seiner fast liegenden Position, Osman mit der Hand zu sich
und deutete auf einen Stuhl, der an der Wand stand. Der setzte sich. Die Zeit
glich einem Gummiband, das in die Länge gezogen wurde und sich dabei zum
Zerreißen spannte. Endlich hörte er draußen das scharfe Bremsen eines Wagens.
Die Tür flog auf, und vier Militärpolizisten mit weißen Pistolentaschen und
Helmen mit der Aufschrift As.Iz. stapften geräuschvoll herein.
»Osman
Cevik?«, brüllte der mittelgroße Mann in der Mitte. Der Angesprochene nickte.
»Wir
übernehmen das jetzt!«, zischte der Militärpolizist mit scharfer Stimme. Der
Gendarm war aus seiner Horizontalen geschnellt und stand jetzt stocksteif
hinter seinem Schreibtisch.
»Wir
werden das klären, Herr Cevik! Würden Sie bitte mitkommen!«, wandte sich der
Befehlshabende an Osman. Der kannte den Mann. Es war Hauptmann Kemal Güldünya.
Er hatte ihn schon öfter im Büro in Batman gesehen und mindestens genauso oft
in der Camii- Moschee, wo sich die Hizbullah -Anhänger heimlich zum
Gebet trafen.
»Er
ist bestimmt einer von uns!«, dachte er erleichtert und schaute dem Hauptmann
offen ins Gesicht. Unter dessen rechtem Auge schimmerte ein Feuermal, das einem
Flügel ähnelte.
6
Mitten in der Nacht schreckt Swensen aus dem Schlaf. Ihm ist heiß und er
fühlt sein hartes
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