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Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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beobachtet die Menge, sucht nach ihm, sucht nach etwas, das die meisten Leute nicht erkennen würden: dem Gesicht des Bösen.

    »Die Menschen erwarten, daß das Böse ein häßliches Gesicht hat, ein Paar Hörner. Das Böse kann attraktiv sein. Die Häßlichkeit ist innerlich: eine schwarze, krebsartige Fäulnis, die Gewissen und moralisches Gewebe zerstört und die Kontrollen, welche zivilisiertes Verhalten definieren. Zurück bleibt ein Tier, das sich hinter einer normalen Fassade versteckt…«
    John Quinn, in einem Interview von People, 1997.

    Sein schicker grauer Maßanzug hebt Quinn unter den lokalen Würdenträgern hervor. Er hat den gelangweilten, arroganten Gesichtsausdruck eines GQ Models. Das macht ihn wütend – Quinn hat sich endlich dazu herabgelassen, ihn öffentlich anzuerkennen, aber er sieht aus, als würde ihn das ganze null interessieren.

    Weil du glaubst, du kennst mich, Quinn. Du glaubst, ich bin nur ein weiterer Fall. Nichts besonderes. Aber du kennst den Feuerbestatter nicht. Den Engel des Bösen.
    Und ich kenne dich so gut.

    Er kennt Quinns Laufbahn, seinen Ruf, seine Theorien, seine Methoden. Am Ende wird er Quinns Achtung
    gewinnen, was für Quinn mehr bedeuten wird als für ihn.
    Sein dunkles, wahres Ich steht über dem Bedürfnis, anerkannt zu werden. Anerkennung suchen ist schwach, reaktiv, erzeugt Verletzlichkeit, lockt Lächerlichkeit und Enttäuschung an. Nicht akzeptabel. Nicht gestattet auf der dunklen Seite.
    In Gedanken rezitiert er sein Credo: Dominieren. Manipulieren. Kontrollieren.
    Lichter blitzen und Kameramotoren surren, als Quinn das Podium übernimmt. Die Frau neben ihm beginnt zu husten. Er bietet ihr ein saures Drops an und denkt daran, ihr die Kehle durchzuschneiden, weil sie seine Konzentration gestört hat.
    Er denkt daran, es hier zu tun, jetzt – eine Faust voll blonder Haare zu packen, den Kopf zurückzubiegen und mit einer raschen Bewegung durch ihren Kehlkopf und ihre Jugularvene und ihre Karotis zu schneiden – bis hinten zu ihrer Wirbelsäule. Das Blut wird sich in einer Woge aus ihr ergießen, und er wird mit der hysterischen Menge verschmelzen und entkommen. Er lächelt bei dem Gedanken und nimmt sich auch ein Bonbon. Kirsche – seine Lieblingssorte.
    Quinn versichert den Leuten, daß alle Ressourcen des Bureaus der Soko zur Verfügung stehen. Er spricht von den VICAP Computern, NCIC und NCAVC, ISU und CASKU.
    Beschwichtigung mittels Verwirrung. Der durchschnittliche Zuhörer kann die Alphabetsuppe moderner
    Justizbehörden und Dienste nicht dechiffrieren. Die meisten Leute kennen nicht einmal den Unterschied zwischen der Polizei und dem Sheriffbüro. Sie wissen nur, daß Akronyme wichtig und offiziell klingen. Die hier Versammelten hören hingerissen zu und werfen heimlich Blicke auf die Person neben ihnen.
    Quinn verrät nur ein Minimum an Details des Profils, das er erstellt. Seine Erfahrung erlaubt es ihm, das bißchen Information wie eine ganze Akte aussehen zu lassen. Er spricht von dem gewöhnlichen Prostituiertenmörder: einem Versager, der Frauen haßt und die erwählt, die er für die Schlimmsten von allen hält, um für die Sünden seiner Mutter Rache zu üben. Quinn spekuliert, daß dies kein ganz exaktes Profil des Feuerbestatters ist, daß dieser Killer etwas Besonderes ist – hochintelligent, hervorragend organisiert, clever – und es wird nicht nur des Fleißes der Justizbehörden sondern der gesamten Gemeinde bedürfen, um ihn zu fangen.
    In einer Sache hat Quinn recht – der Feuerbestatter hat nichts Gewöhnliches an sich. Er ist nicht nur adäquat, sondern überlegen. Die Frau, die ihn geworfen hat, ist ihm so gleichgültig, daß man ihn nie dazu inspirieren könnte, sich an ihrer Erinnerung zu rächen.
    Und trotzdem hört er in seinem Hinterkopf, wie ihre Stimme ihn tadelt, kritisiert, verspottet. Und der Zorn, immer nur im Untergrund schwelend, beginnt, sich zu erhitzen. Dieser gottverfluchte Quinn und sein Freudscher Scheiß. Er weiß überhaupt nichts über die Macht und die Euphorie, die man empfindet, wenn man ein Leben nimmt. Er hat nie die exquisite Musik von Schmerz und Angst in Betracht gezogen, oder wie diese Musik den Musikanten entrückt. Das Töten hat nichts mit irgendwelchen Gefühlen der Unzulänglichkeit seines gewöhnlichen Ichs zu tun, aber alles mit Macht.
    Auf der hinteren Seite des Raums stimmt das Kontingent aus Phoenix House seinen Kanon an. ›Unser Leben ist auch was wert!‹
    Toni Urskine stellt sich

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