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Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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sie. So oder so. Die Vergangenheit Ihrer Tochter war ein Teil von dem, wer sie war – oder wer sie ist.«
    »Lucas hat mir gesagt, Sie würden darauf bestehen. Es ist lächerlich, anzunehmen, daß Jillian das irgendwie auf sich gezogen hat. Es ging ihr so gut –«
    »Es ist nicht Ihre Aufgabe, das zu sezieren, Peter«, sagte Quinn, rutschte ins Persönliche. Ich bin dein Freund. Mir kannst du’s erzählen. So gab er ihm die Möglichkeit, die Kontrolle langsam und freiwillig abzutreten. Quinn sah, wie der logische Teil von Bondurants Verstand mit den Emotionen kämpfte, die er so streng verpackt hielt. Er war so angespannt, wenn Kovác ihn hart genug bedrängte, und wenn er riß, dann wäre das, wie plötzlich einen Hochspannungsdraht zu lockern – absolut unkontrollierbar.
    Bondurant war gescheit genug, das zu erkennen, und realistisch genug, die Möglichkeit zu fürchten.
    »Wir sagen nicht, daß es Jillians Schuld ist, Peter. Sie hat nicht darum gebeten, daß das passiert. Sie hat nicht verdient, daß das passierte.«
    Ein Schleier von Tränen trübte Bondurants Augen.
    »Mir ist klar, daß das schwer für Sie ist«, sagte Quinn leise. »Als Ihre Frau sie verließ, hat sie Ihre Tochter zu einem Mann gebracht, der sie mißbraucht hat. Ich kann mir vorstellen, welche Wut Sie empfunden haben, als Sie das herausfanden.«
    »Nein, das können Sie nicht.«
    Bondurant wandte sich ab, suchte nach irgendeiner Fluchtmöglichkeit, war aber nicht bereit, die Eingangshalle zu verlassen.
    »Jillian war einen Ozean entfernt, in Schwierigkeiten, leidend. Aber alles war schon vorbei, als Sie es herausfanden, also was konnten Sie tun? Nichts. Ich kann mir den Frust, den Zorn, das Gefühl von Ohnmacht vorstellen. Die Schuldgefühle.«
    »Ich konnte nichts tun«, murmelte er. Er stand neben einem Tisch mit Marmorplatte und starrte auf eine Skulptur zerfledderter Bronzelilien, eine Vergangenheit vor Augen, die er lieber unter Verschluß gehalten hätte.
    »Ich hab es nicht gewußt. Sie hat es mir erst erzählt, als sie hierher zurückgekommen ist. Ich hab es erst erfahren, als es schon zu spät war.«
    Mit zitternder Hand berührte er eine der Lilien und schloß die Augen.
    Quinn stand neben ihm, überschritt knapp die Grenze von Bondurants persönlichem Freiraum. Nahe genug, um Vertrauen zu fördern, unterstützend, nicht einschüchternd.
    »Es ist nicht zu spät, Peter. Sie können noch helfen. Wir haben dasselbe Ziel – Jillians Mörder zu finden und aufzuhalten. Was ist in dieser Nacht passiert?«
    Er schüttelte den Kopf. Was verneinte er? Er strahlte ein Gefühl von etwas aus – Schuld? Scham? -, fast so wie einen Geruch. »Nichts«, sagte er. »Nichts.«
    »Ihr habt zu Abend gegessen. Sie ist bis Mitternacht geblieben. Was ist passiert, was sie dazu gebracht hat, Brandt anzurufen?«
    Er schüttelte immer noch den Kopf. Was verneinte er?
    Ihren emotionalen Zustand, oder verweigerte er einfach die Antwort? Schüttelte er die Fragen als inakzeptabel ab, weil die Antworten eine Tür öffneten, durch die er nicht gehen wollte? Die Tochter, die nach all diesen Jahren zu ihm zurückgekommen war, war nicht als das unschuldige Kind von damals zurückgekommen, sondern anders beschädigt. Wie würde sich da ein Vater fühlen? Verletzt, enttäuscht, beschämt. Schuldig, weil er nicht dagewesen war, um das zu verhindern, was seine Tochter dazu getrieben hatte, ihrem eigenen Leben ein Ende zu setzen.
    Schuldig, wegen der Scham, die er empfand, wenn er sie als beschädigt betrachtete, als nicht vollkommen. Emotionen, düster und verstrickt, zu einem Knoten gebunden, den zu lösen es des Geschicks eines Chirurgen bedürfte. Er dachte an das Foto in Bondurants Büro: Jillian, so unglücklich, in einem Kleid, das für eine andere Art Mädchen bestimmt war.
    Kovác näherte sich Bondurant von rechts. »Wir sind nicht darauf aus, Jillian wehzutun oder Ihnen, Mr. Bondurant. Wir wollen nur die Wahrheit.«
    Quinn hielt den Atem an, ohne Bondurant eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Ein Augenblick verstrich. Eine Entscheidung wurde getroffen. Die Waagschale neigte sich weg von ihnen. Er konnte es in Peter Bondurants Gesicht sehen, als seine Hand von der zerfetzten Bronzelilie rutschte und er alles in sich eng zusammenraffte und diese innere Tür schloß, die kurz aufgeglitten war.
    »Nein«, sagte Bondurant. Sein Gesicht war nur eine, leere, knöcherne Maske, als er jetzt nach dem Hörer des eleganten schwarzen Telefons griff, das neben der

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