Feuermale
Toni –«
»Raus hier!« schrie sie und schlug seine Hand beiseite, ohne auch nur hinzusehen.
»Wir versuchen nur, die beste Arbeit für die Opfer zu liefern«, sagte Moss leise. »Ich dachte, das wollten Sie auch. Oder wollen Sie das nur, wenn die Kameras laufen?«
»Hattest du eine Chance, mit deiner Freundin in Milwaukee zu reden?« fragte Kate. »Sie haben ihr das Bild gefaxt, richtig?«
»Ja, am zweiten, nein am ersten«, antwortete Susan Frye. Kate dankte Gott, daß sie sich entschlossen hatte anzurufen, anstatt zum Büro der Frau zu gehen. Sie hätte ihren Frust und ihre Ungeduld nicht verbergen können, das wußte sie. Streß sprengte den Lack von Manieren und legte sämtliche Nervenspitzen offen. An diesem Punkt hatte sie das Gefühl, eine falsche Antwort würde sie über die Kante des Abgrunds schubsen, und dann würde sie enden wie der Kerl im Atrium.
»Sie ist sehr eingebunden in einen Prozeß«, sagte Susan Frye. »Ich werde anrufen und ihr eine Nachricht hinterlassen.«
»Heute.«
Kate merkte zu spät, daß das Wort wie ein Befehl und nicht wie eine Frage rausgekommen war. »Bitte, Susan?
Dieses Kind hat mich in eine Welt von Schmerz versenkt.
Ich weiß nicht, was Rob sich dabei gedacht hat. Er hätte sie jemandem auf deiner Seite des Zauns zuteilen sollen.
Ich arbeite nicht mit Kindern. Und jetzt ist sie verschwunden.«
»Ich hab gehört, sie ist möglicherweise tot«, sagte Frye ohne Umschweife. »Glaubst du denn nicht, daß sie das Opfer von gestern nacht ist?«
»Wir wissen es noch nicht mit Bestimmtheit.«
Kates Mund formte das Wort Mistvieh danach. Das war vielleicht eine Freundin, die unter die Gürtellinie schlug.
»Selbst wenn es wahr ist, müssen wir rausfinden, wer die Kleine ist, damit wir versuchen können, Kontakt mit ihrer Familie aufzunehmen.«
»Eins kann ich dir schon jetzt garantieren, Kate. Du wirst keinen finden, der sich auch nur die Bohne um sie schert, sonst wäre sie nie in diesem Schlamassel gelandet.
Das arme Ding wäre besser dran gewesen, wenn man sie in den ersten drei Monaten abgetrieben hätte.«
Die Gefühllosigkeit dieser Bemerkung machte Kate schwer zu schaffen, als sie Susan Frye für ihre zweifelhafte Hilfe dankte und den Hörer auflegte. Sie löste die Überlegung aus, was genau Angie DiMarco eigentlich auf die Welt gebracht hatte – Zufall? Schicksal? Liebe? Das Verlangen nach einem Scheck vom Sozialamt? War ihr Leben von der Empfängnis an schiefgelaufen, oder waren die Fehler später gekommen, wie Patina, die langsam auf Silber wuchs, das glänzend aus der Produktion kommt?
Ihr Blick wanderte zu dem kleinen Bild von Emily in dem Fach des Regals über ihrem Kopf. Ein schönes
kleines Leben, strahlend von der Aussicht auf eine Zukunft. Sie fragte sich, ob Angie je so unschuldig ausgesehen hatte, oder ob ihre Augen immer schon die Verbitterung eines freudlosen Daseins gezeigt hatten.
»Das arme Ding wär besser drangewesen, wenn man es in den ersten drei Monaten abgetrieben hätte.«
Aber Angie DiMarco lebte ihr trauriges Leben weiter, während es Emily genommen worden war.
Kate sprang aus ihrem Stuhl auf und begann, in dem winzigen Büro auf und ab zu laufen. Wenn sie bis zum Ende dieses Tages nicht den Verstand verlor, dann wäre das ein kleines Wunder.
Sie hatte damit gerechnet, daß sie als erstes in Sabins Büro zitiert werden würde, oder zumindest in Robs Büro für einen offiziellen Anschiß wegen der Dinge, die sie gestern nacht auf dem Parkplatz gesagt hatte. Bis jetzt war noch kein solcher Anruf gekommen… bis jetzt. Und so hatte sie versucht, den Gedanken daran, daß Angie tot sein könnte, abzuwehren, indem sie proaktive Maßnahmen ergriff, um etwas über das Leben des Mädchens herauszufinden. Aber jedesmal, wenn sie ihren Denkprozeß auch nur verlangsamte, hörte sie die Schreie vom Band.
Und jedesmal, wenn sie an etwas ganz anderes denken wollte, dachte sie an Quinn.
Nachdem sie Quinn nicht im Kopf haben wollte, setzte sie sich, packte den Telefonhörer und wählte noch eine Nummer. Sie hatte andere Klienten, um die sie sich kümmern mußte. Zumindest bis Rob sie feuerte.
Sie rief David Willis an und bekam eine sehr lange, übermäßig detaillierte Anweisung, wie sie eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen konnte. Sie versuchte es bei ihrem Vergewaltigungsopfer zu Hause, mit ähnlichem Ergebnis. Dann versuchte sie es bei ihrer Arbeitsstelle und wurde von dem Geschäftsführer des Buchladens informiert,
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