Feuermohn
gut! Auf ein paar Stunden mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht mehr an. Sie wollte Joe nicht enttäuschen, denn er hatte sich schon seit Tagen auf diesen Abend gefreut.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es bereits spät war. Sie musste sich beeilen.
Hastig sprang sie unter die Dusche, rubbelte ihr Gesicht unter dem prasselnden Wasserstrahl, in der Hoffnung, die Spuren ihrer Tränen verwischen zu können.
Sie wählte ein weißes besticktes Kleid aus feinster Baumwolle, das ihren weiblichen Typ gekonnt unterstrich. Gut wollte sie aussehen, keinesfalls traurig oder niedergeschlagen. Die Vorstellung, Joe könnte sie mit Fragen nach ihrem Befinden konfrontieren, behagte ihr nicht. Sorgfältig schminkte sie ihr Gesicht, bürstete ihr Haar, bis es glänzte und in weichen Wellen über ihren Rücken fiel. Ein letzter kontrollierender Blick in den Spiegel, und sie machte sich auf den Weg.
*** Gedankenverloren schlenderte Aaron durch den Garten. Sein Blick glitt über die Bäume, Sträucher, Blumen; über die sattgrüne Wiese und den Bach, der sich langsam hindurchschlängelte. Über allem spannte sich eine breite Farbpalette, die den Abendhimmel wundervoll leuchten ließ. Rosarote Töne, untermalt von goldenen Sprenkeln, die etwas von ihrer Energie nach unten warfen und so den Garten wie ein wundervolles Gemälde anstrahlten.
Er beschleunigte seine Schritte, so, als wollte er vor etwas davonlaufen, wirkte rastlos und unruhig. Unzählige Fragen schossen ihm durch den Kopf, unbequem und unwillkommen. Er schaffte es, sie in die tiefsten Winkel seiner Seele zu verbannen, jedoch gab es eine Frage, die immer wiederkehrte. Was hinderte ihn nun, wo alles zu Ende war, daran, seinen Plan zu Ende zu führen? Anna war nicht nur auf erotischer Ebene verrückt nach ihm, sie liebte ihn sogar.
Eine perfekte Basis für den finalen Stoß! Und ein gefundenes Fressen für die Presse: Aaron Vanderberg trennt sich von Starjournalistin Anna Lindten, der Frau, die ihn in ihren Kolumnen regelmäßig diffamierte.
Was geht in einer Frau vor, die den Mann, mit dem sie regelmäßig ins Bett geht, öffentlich so hinrichtet?
Die unterschiedlichsten Versionen schossen ihm dazu durch den Kopf. Schlagzeilen, die ihn rehabilitierten, sie hingegen bloßstellten.
Ein Anruf würde genügen, und die passenden Zeitungsleute würden Schlange stehen, um die in den Medien gefeierte Journalistin dabei zu begleiten, wie sie als abgelegte Geliebte die Villa verließ.
Sein Personal würde dem Presseteam anschließend bereitwillig Rede und Antwort stehen, von der Hingabe berichten, die Anna ihm entgegengebracht hatte.
Aaron ließ sich auf einer Bank nieder, sah dem Lauf der Schäfchenwolken nach, die rosarot über den noch immer hellen Abendhimmel schwebten. Es gelang ihm nicht, seine Gedanken zu ordnen, er ärgerte sich über sich selbst. Wieso handelte er nicht? Er hatte sich diesen Triumph verdient! Das Kapitel Anna Lindten war so oder so abgeschlossen. Es gab also keinen Grund mehr, sein angestrebtes Ziel weiter hinauszuschieben. Und doch war da etwas in ihm, was ihn davon abhielt, den letzten Zug zu machen.
*** Schwere Glastüren führten auf einen weitflächigen, mit Blumen und Kübelpflanzen dekorierten Balkon. Anna hatte es sich bereits in den rostroten Kissen, die die Korbmöbel zierten, bequem gemacht, während Joe laut pfeifend in der Küche werkelte.
Sie nahm einen Schluck Wein, lächelte ihm zu, als er kurze Zeit später mit zwei Platten herrlich duftender Köstlichkeiten auftauchte.
„Ich hoffe, du hast genügend Hunger mitgebracht?“
Sie sprang auf und half ihm, die Platten auf dem Tisch abzustellen.
„Voilà! Die Vorspeise: gebratene Paprikaschoten mit Majoran-Cashewkernen und Zitronenmelisse. Außerdem Avocados mit crevettes flambées und selbst gebackenem Thymianbrot. Lass es dir schmecken!“
Joes lebendig funkelnde Augen ließen sie ihren Kummer für einen Moment vergessen.
„Wenn der Meister der Kräuter in der Küche steht, können nur Delikatessen entstehen. Ich bin sicher, mein Gaumen wird erfreut sein.“
In der Hoffnung, ihren Kummer wohl verborgen zu halten, griff sie herzhaft zu, obwohl ihr Magen wie zugeschnürt war.
Alles sah köstlich aus, roch hervorragend, ihr war jedoch, als kaue sie auf sprödem Stroh. Auch Hauptspeise und Dessert waren ein Traum, und jeder Fünfsternekoch wäre sicher vor Neid erblasst, Anna jedoch saß in einem dunklen Loch, war angestrengt darum bemüht, unbeschwert zu wirken – so zu
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