Feuerprobe der Liebe - 1 Teil der Miniserie The great London fire - Historical Bd 217
trat näher, um dem fremden Geräusch zu lauschen. Dabei erschreckte sie den Sperling, der davonflog.
Über der Brüstung erschien der Kopf eines Mannes. Erschrocken wich Desirée zurück. Gleich darauf wurden die Schultern des Mannes sichtbar, und ungläubig sah sie zu, wie ein Fremder das Dach erklomm, nur ein Stück weit von ihr entfernt.
Überrascht und mit heftig klopfendem Herzen betrachtete sie den Eindringling, zu verblüfft, um sich zu fürchten – oder auch nur ihr Gesicht zu verbergen.
Es war Jahre her, seit sie das letzte Mal einem Fremden begegnet war. Und nie zuvor hatte sie einen solchen Mann getroffen. Ein Engel, der menschliche Gestalt angenommen hatte.
Seine Augen waren so blau wie der Himmel, sein Gesicht das schönste, das Desirée je gesehen hatte, mit fein geschnittenen und doch männlichen Zügen. Das blonde Haar trug er der Mode entsprechend lang, und im Schein der untergehenden Sonne wirkten seine Locken wie flüssiges Gold, das sich über seine Schultern ergoss.
Er sah aus wie einer der Erzengel, die Desirée einst in einem Kirchenfenster gesehen hatte. Damals hatte die Sonne den Farben einen himmlischen Schein verliehen. Dieser Mann erinnerte sie an jenes überirdisch strahlende Bild. Er war zu perfekt, um ein Mensch aus Fleisch und Blut zu sein.
Seine Haut war glatt und fest, und die Sonne verlieh ihr einen Bronzeton, als wäre er der Gott Apollo persönlich. Er besaß die Makellosigkeit der Jugend, gepaart mit der Kraft und Stärke des erwachsenen Mannes.
Gekleidet war er nur in ein Leinenhemd und eine dunkle Hose. Unter dem Hemd sah Desirée die Umrisse eines muskulösen Körpers. Am Hals stand das Hemd offen und entblößte seine breiten Schultern. Desirée ließ den Blick weiter abwärts gleiten und bemerkte seinen flachen Bauch, die schmalen Hüften, die langen, muskulösen Beine.
Noch einmal sah sie sein makelloses Gesicht an…
Und dann stockte ihr der Atem vor Entsetzen, als sie sich endlich an das erinnerte, was sie nur so selten vergaß.
Der Mann, der hier vor ihr stand, war perfekt.
Aber sie war es nicht.
Scham und Verzweiflung überkamen sie. Sie hob die Hand, um ihr Gesicht zu bedecken, wandte sich stattdessen jedoch ab. Jetzt erst begann sie zu zittern. Tausend Fragen gingen ihr durch den Kopf, aber sie traute ihrer Stimme nicht genug, um ihn zur Rede zu stellen und herauszufinden, was der Grund für sein Eindringen in ihr privates Reich war.
Jakob war selbst überrascht. Man hatte ihm gesagt, dass Lady Desirée Godwin in ihrem großen Haus im Stadtteil Strand ein zurückgezogenes Leben führte. Er hatte vermutet, dass diese Zurückgezogenheit mit einer besonderen Vorsicht zu tun hatte, denn allem Anschein nach besaß sie weder einen Vater noch einen Vormund, der sie beschützen könnte. Man hatte ihm außerdem berichtet, dass Lady Desirée gewöhnlich in ihrem Dachgarten anzutreffen war. Daraufhin hatte er sich vorgestellt, wie sie in einem schattigen Gartenhaus saß, ganz in Seide und Satin gehüllt.
Stattdessen sah er sich unerwartet einer Frau gegenüber, die offensichtlich gearbeitet hatte und einfache, wenig modische Kleider trug. Es war nicht zu übersehen, dass ihr Rock in der Vergangenheit mehrfach zerrissen und wieder geflickt worden war. Erfreut nahm er zur Kenntnis, wie der weiche Stoff ihres Mieders die natürlichen Formen ihres schlanken, wohlgestalteten Körpers betonte. Allem Anschein nach verzichtete die Dame bei der Arbeit auf das unbequeme Fischbeinkorsett. Jakob bewunderte ihren gesunden Menschenverstand, fragte sich allerdings, ob sie wohl die Frau war, die er suchte.
Ihre Hände waren voller Erde, ihr Gesicht war schweißbedeckt, und auf ihrer Stirn zeigte sich ein Schmutzstreifen. Lady Desirée sollte dreißig Jahre alt sein, doch diese Frau hier wirkte erheblich jünger. Das haselnussbraune Haar trug sie locker aufgesteckt, in einem Stil, der mehr den Anforderungen der Gartenarbeit als der Mode folgte. Die tiefstehende Sonne verlieh ihren Locken einen rötlichen Schimmer. Ein paar lose Strähnen waren dunkel von Schweiß und klebten an ihrer Haut.
Verblüffender aber noch als ihre Kleidung waren die Narben auf ihrem Gesicht, Entstellungen, die gar nicht zu passen schienen zu einer so jungen, attraktiven und offensichtlich blühenden Frau. Nur eine Wange war gezeichnet, die andere Seite zeigte die Schönheit, die ihr von Geburt her zugedacht war. Der Unterschied zwischen dem, was war, und dem, was hätte sein können, wirkte in seiner
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