Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Er stand auf, nahm einen mexikanischen Sporn von einem Haken an der Wand und ließ mit einem Finger das Rad rotieren. Es war einer der Sporen, die mein Freund L.Q. Navarro in der Nacht getragen hatte, als er in Coahuila ums Leben gekommen war. »Ich hab gehört, dass du dich mit den Purple Hearts angelegt hast«, sagte er.
»Wer hat dir das erzählt?«
»Ich hab Jeff Deitrich in Val’s Drive-in getroffen.«
»Weißt du, warum sich sein Vater mit mexikanischen Bandenmitgliedern einlassen sollte?«
»Über seinen Vater weiß ich nicht Bescheid. Aber ich kenne Jeff.«
»Aha?«
»Er hat eine feste Freundin, Rita Summers heißt sie. Ich hab mal zu ihm gesagt: ›Das ist ja ein hübsches Mädchen. Da ist alles dran, nicht wahr?‹ Sagt er: ›An Vanille-Eis auch, Lucas. Was nicht heißt, dass man nicht mal Schokolade probieren darf.‹«
Er drehte noch einmal am Rad, hängte den Sporn dann wieder an den Haken.
Wir fuhren in den allmählich kühler werdenden Schatten zwischen den Hügeln hindurch zu Shorty’s und aßen auf der von Fliegendraht umgebenen Veranda, die auf Pfählen über den Fluss ragte, zu Abend. Das Wasser stand hoch und war milchig grün, und es strömte um den Fuß eines Hügels herum und stürzte über Felsbrocken zu den tieferen, ruhigeren Stellen hinab, die weiß vom Samen der Pyramidenpappeln waren. Die Luft war jetzt kühl und roch nach Farn und nassen Steinen, und als die Sonne unterging, schaltete Shorty, der Inhaber, die elektrische Beleuchtung in den Eichen ein, die seine Picknicktische überspannten.
Die Country-Band auf dem Tanzboden spielte sich gerade warm.
»Ich hab diesen Sommer einen Job auf den Ölfeldern aufgetan. Dazu einen Bluegrass-Gig in Fredericksburg«, sagte Lucas.
»Du hast dich prima gemacht, mein Guter«, sagte ich.
Er lächelte, schaute aber an mir vorbei, durch den Fliegendraht, auf die Schatten der Bäume an der Felswand auf der anderen Seite des Flusses.
»Sei vorsichtig, wenn du mit Deitrich zu tun hast«, sagte er.
»Ich glaube nicht, dass Earl eine echte Herausforderung für mich ist.«
Die Gabel verharrte vor seinem Mund. Dann legte er sie auf seinen Teller. »Ich rede nicht von Earl«, sagte er. »Jeff ist früher immer runter nach Austin gefahren, um Homosexuelle aufzumischen. Nicht wegen dem Geld. Bloß um ihnen die Scheiße aus dem Leib zu prügeln. Ich hab mich immer zu sehr geschämt, um irgendjemanden zu erzählen, dass ich’s gesehen habe.«
Er hatte den Blick gesenkt, als er die Gabel wieder zur Hand nahm. Sein Gesicht wirkte merkwürdig mädchenhaft.
Peggy Jean musste nicht flirten, um auf Männer zu wirken. Es lag vielmehr an einer gewissen Müdigkeit in ihrem Gesicht, einem unterdrückten Unrecht, einer unausgesprochenen Frage, dass man ihr beistehen und mit ihr gemeinsam ihre tiefsten Geheimnisse erkunden wollte. Ihre Verletzlichkeit umhüllte sie wie ein fein gewobenes Gespinst, durch das man ohne Scham und Vorbehalte treten durfte.
Am Donnerstagmorgen sah ich sie vor einem am Stadtrand gelegenen Laden für Lederwaren und landwirtschaftliche Bedarfsgüter bei ihrem Pickup stehen. Ein Angestellter trug gerade einen Western-Sattel aus dem Laden zur Rückseite des Lasters, wo sie an der offenen Heckklappe wartete, eine American-Express-Karte in Platin lässig zwischen zwei Fingern.
»Ach, hallo, Billy Bob«, sagte sie, als ich von hinten auf sie zukam. Sie trug enge Reithosen, eine karierte Bluse und eine Sonnenbrille, die sie zurechtrückte, während sie mich anlächelte.
»Ein schöner Sattel«, sagte ich.
»Der ist für Jeffs Geburtstag.« Sie hatte das Gesicht abgewandt, sodass ich nur die eine Seite sehen konnte, und schaute zum Laden, als wartete sie darauf, dass noch jemand herauskam.
»Haben Sie schon bezahlt, Mrs. Deitrich?«, sagte der Angestellte und schaute auf die Kreditkarte in ihrer Hand.
»Nein, tut mir Leid. Ich geh gleich rein und erledige das«, entgegnete sie.
»Geben Sie mir einfach Ihre Karte, dann bring ich Ihnen den Kassenzettel zum Unterschreiben raus. Macht keinerlei Umstände«, sagte der Angestellte und nahm ihr die Karte aus den Fingern, ehe sie etwas erwidern konnte.
Peggy Jean wandte sich wieder ab, schaute verlegen auf die Laderampe. Die Haut über dem Jochbein auf der anderen Seite war dick mit Rouge und Puder überschminkt.
»Ist alles okay, Peggy Jean?«, sagte ich.
»Ach ja, man schlägt sich so durch«, sagte sie und lächelte dann, als wäre ihr noch etwas eingefallen. »Es ist so windig hier
Weitere Kostenlose Bücher