Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
draußen.« Sie zog ein Kopftuch aus ihrer hinteren Hosentasche, band es um ihre Haare und verknotete es unter dem Kinn.
»Ein Jammer, was mit dem Buchhalter passiert ist, diesem Greenbaum. Er hat einen netten Eindruck gemacht«, sagte ich.
»Wovon redest du da?«
»Er ist tot. Ein paar Schlägertypen sind im Herman Park in Houston über ihn hergefallen.«
»Über Max? Wann?«
»Tut mir Leid. Ich dachte, ihr wisst Bescheid.«
»Nein ... Ich habe nichts gehört ... Du meinst doch Max Greenbaum?«
Sie schaute sich um, als könnte ihr der Wind einen Ausweg aus ihrer Verwirrung weisen.
Ich trat einen Schritt näher, und meine Finger berührten ihren Ellbogen.
»Ich fahr dich heim«, sagte ich.
»Nein ... Auf gar keinen Fall ... Billy Bob, bitte, lass mich ...«
Sie ging weg und stellte sich in den Schatten neben der Fahrertür ihres Pickup, verschränkte die Arme, als wollte sie eine Barriere errichten, die ich nicht überwinden konnte. Der Angestellte kam mit ihrer Kreditkarte und dem an ein Klemmbrett gehefteten Kassenbeleg aus dem Laden. Er sah ihre Miene und senkte betreten den Blick.
»Wenn Sie hier bitte unterschreiben möchten, Ma’am. Dann können Sie schon mal los, und ich kümmer mich um alles Weitere«, sagte er.
»Peggy Jean –«, hob ich an.
»Tut mir Leid, dass ich die Fassung verloren habe. Max? Nein, da muss ein Irrtum vorliegen«, sagte sie, stieg in ihren Pickup und wirbelte eine Wolke aus rosarotem Staub auf, als sie vom Parkplatz fuhr.
Ich saß im Zwielicht in meinem Büro und trank eine Tasse Kaffee. An der Wand, hinter Glas und auf blauem Filztuch, hingen die .36er Navy-Colts und die Winchester-Büchse 73, mit achteckigem Lauf und Unterhebelverschluss, die meinem Urgroßvater Sam Morgan Holland gehört hatten, als er Viehtreiber auf dem Chisholm Trail gewesen war. Im Laufe seines Lebens war er außerdem Soldat beim Vierten Texas-Regiment gewesen, das am Sturm auf den Little Round Top bei Gettysburg teilnahm, ein rauf lüsterner Trunkenbold, der bei Revolverduellen fünf oder sechs Männer erschoss, und schließlich Wanderprediger, der in dem gottlosen Ödland westlich des Pecos vom Sattel aus das Evangelium verkündete.
Die Brünierung von Sams Waffen war längst durch ständiges Reiben am Lederholster abgewetzt, und der Stahl schimmerte stumpf wie eine alte Fünf-Cent-Münze. Sam hat in seinem Tagebuch seine Begegnungen mit John Wesley Hardin, Wild Bill Longley und der Dalton-Doolin-Gang geschildert, die er allesamt verabscheute, weil sie entweder Psychopathen oder weißes Lumpenpack waren. Aber in seiner Auflistung all ihrer Untaten gibt es nicht einen Hinweis darauf, dass der Schlimmste von ihnen jemals eine Frau geschlagen hätte.
Im alten Süden wurde die körperliche Misshandlung einer Frau als ebenso verwerflich angesehen wie Unzucht mit Tieren. Ein Mann, der so etwas tat, galt als erbärmlicher Feigling, und wenn er Glück hatte, wurde er nur ausgepeitscht.
Aber heutzutage wurde eine Frau, die nicht vor ihrem Peiniger floh oder rechtlich gegen ihn vorging, in der Regel ihrem Schicksal überlassen, wenn man nicht gar der Meinung war, sie hätte es verdient.
Ich fragte mich, was Urgroßpapa Sam an meiner Stelle getan hätte.
Ich stellte die leere Kaffeetasse auf den Untersetzer, schlug mein Rolodex beim Buchstaben »D« auf und tippte eine Nummer in mein Telefon.
»Earl?«, sagte ich.
»Ja?«
»Wer hat Ihre Frau geschlagen?«
»Was?«
»Sie haben mich genau verstanden. Auf die rechte Wange.«
»Sie haben vielleicht Nerven.«
»Also waren Sie es?«
»Halten Sie sich mit Ihrem selbstgerechten Lästermaul gefälligst von meiner Familie fern.«
»Wenn Sie sie noch einmal anrühren, nehme ich Sie mir in aller Öffentlichkeit vor. Dann nützt Ihnen Ihr ganzer Besitz und alles, was Sie sich kaufen können, nichts mehr.«
Er knallte den Hörer auf. Ich saß eine ganze Weile im fahlen Licht, das durch die Jalousien schien, krümmte die Finger der rechten Hand und spürte den klebrigen Schweiß, der aus den Poren drang.
An diesem Abend stieß ein rot lackierter Doppeldecker aus dem tiefblauen Himmel, kreiste über dem Fluss und landete auf der Weide hinter dem Weiher. Ich stieg in den Avalon und fuhr an Hühnerhof, Scheune und Windrad vorbei hinaus ins hohe Gras, das am Fuß des Uferdamms wuchs. Als ich um die Weiden am anderen Ende des Weihers herumkam, sah ich Bubba Grimes, den Mann, der behauptet hatte, Wilbur Pickett habe ihm Wertpapiere verkaufen wollen. Er lehnte
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