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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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weiße Jungs wollten nach ’nem Football-Spiel mal über Ronnie Cross herfallen. Er hat sie so verdroschen, dass einer von ihnen auf den Knien um Gnade gefleht hat«, sagte er.
    »Machst du dir etwa Sorgen um mich?«
    »Ronnies Freundin ist bei dir in der Kanzlei gewesen. Du bist mit Cholo aneinander geraten. Das geht garantiert nicht gut aus. Ich habe so ein ungutes Gefühl, wie ich es als Kind immer hatte. Wenn ich morgens aufgewacht bin und mir vorgekommen bin, als ob mir jemand das Herz zusammenquetscht.«
    »Diese Kids können mir nicht das Geringste anhaben, Lucas«, sagte ich.
    Er schaute aus dem Fenster auf die Bäume, die sich im Wind bogen, kniff das eine Auge zusammen, dass sich die Haut darunter in Falten legte.
    »Wilbur Pickett hat das alles angezettelt. Jetzt will er dich in seinen Dreck mit reinziehen«, sagte er. »Ihr Älteren habt ja keine Ahnung, was in dieser Stadt abgeht. So was habt ihr nie erlebt.«
    Er starrte auf die ausgefransten Säume seiner Jeans, als wollte er seine Wut vor mir verbergen.
    In dieser Nacht gewitterte es, und ein kühler Wind, der nach Ozon roch, strich durch das Haus. In solchen Nächten pflegte ich L.Q. Navarros Sporen klirren zu hören, und später stand er dann neben mir in der Bibliothek, während draußen vor dem Fenster die Blitze zuckten und sein markiges Gesicht und die leuchtend schwarzen Augen in flackerndes Licht tauchten.
    L.Q. lebte in meiner Erinnerung fort – in gewisser Weise war er sogar stets bei mir –, aber ich machte mir wegen seines Todes keine Vorwürfe mehr und sah ihn nur selten, wenn ich wach war. Ich verwahrte den blauschwarzen, eigens für ihn angefertigten .45er Revolver mitsamt Holster und Patronengurt in der obersten Schublade meiner Kommode, und manchmal nahm ich ihn heraus, öffnete die Ladeklappe, drehte die Trommel und spähte durch die leeren Kammern in die einfallenden Lichtwirbel, legte die andere Hand um die Griffschalen aus Elfenbein, die sich warm anfühlten, als hätte er sie gerade in seiner schwieligen Hand gehalten.
    Aber L.Q. kannte mich besser als ich mich selbst. »Sag bloß, es hat keinen Spaß gemacht, den mexikanischen Dealern eins überzubraten« , rüffelte er mich bei seinen Besuchen an.
    Und wenn ich zu lange über unsere nächtlichen Ritte ins alte Mexiko nachdachte, erging es mir wie einem trockenen Trinker, der dem Whiskey entsagt hat, bis er sich bei seinen Brandreden wider den Schnaps unwillkürlich mit den Fingern über die Lippen streicht.
    Und wie immer, wenn mich diese Anwandlungen überkamen, fuhr ich zu der schlichten, in einer ländlichen Arbeiterwohngegend gelegenen kleinen Kirche, in die ich zur Messe ging, und zündete eine Kerze für L.Q. Navarro an – seinetwegen war ich nach seinem Tod zum Katholizismus konvertiert, als ob ich sein Leben verlängern könnte, indem ich seinen Glauben annahm.
    Danach ging ich in das aus Brettern gezimmerte Café nebenan, in dem es Büffel-Burger und Blaubeer-Milchshakes gab, setzte mich ans Fliegendrahtfenster, betrachtete die Blitze, die über den Kiefern vor der Kirche zuckten, und lauschte dem harmlos zwischen den Hügeln verhallenden Donner.
    Lucas Smothers hatte mich vor der Jugendkultur, falls man sie als solche bezeichnen konnte, im südlichen Zentraltexas warnen wollen.
    Warum hatte er das für nötig gehalten?
    Die Antwort darauf lautete, dass Lucas mich, genau wie L.Q. Navarro, besser kannte als ich mich selbst.
    Es hätte mir ein Leichtes sein sollen, mich all den Verwicklungen zu entziehen, die mit Wilbur Picketts Verteidigung verbunden waren.
    Doch der Rosenduft machte mir zu schaffen. Bubba Grimes, der Pilot mit dem herunterhängenden linken Augenlid, hatte es ausgesprochen. Wenn Peggy Jean schwitzte, roch sie wie warme Rosen. Sie roch nach Rosen und zerdrücktem Gras in einem Eichenwäldchen und nach Haut, die von der Sonne gebräunt und kühl und warm zugleich war. Ich musste lediglich die Augen schließen, dann war ich wieder dort, in diesem herzergreifenden Moment, da ich mein Gesicht in ihren Haaren vergrub, ohne mir bewusst zu sein, dass sie und ich ein Vermächtnis schufen, für das ich niemals einen gleichwertigen Ersatz finden würde.
    Am nächsten Morgen hinterließ Hugo Roberts eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter in meiner Kanzlei.
    »Wir sind grade ein zweites Mal draußen bei Wilbur Picketts Haus gewesen. Dreimal dürfen Sie raten. Der arme kleine Bauernlackel hat zwei von den Wertpapieren im Furnier der Kommode seiner Frau

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