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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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schaute, als ob dort eine Kraft verborgen wäre, vor der sie sich ihr Leben lang gefürchtet hatten. Der Wind fegte über den Fluss und verstreute Kiefernnadeln über die Lichtung, dann erstarb die Sonne, die gleißend im Zenit gestanden hatte, und das Ufer wurde wieder dunkel, und sie spürte nur noch die strahlende Hitze der aufgeblendeten Scheinwerfer, die jemand quer über das Wasser auf die Klippen gerichtet hatte.
    Kippy Jo und Cholo Ramirez standen wie zwei zusammengeschweißte Bronzestatuen an der Einfahrt zum Parkplatz, als Wilburs Pickup schlitternd und in einer langen Staubfahne hinter ihnen anhielt. Wilburs Blick wanderte zu der Menschenmenge, die immer noch vor der Veranda stand.
    »Was, zum Teufel, machst du mit meiner Frau, Junge?«, sagte er.
    »Sie sagt, ich tu ihm Unrecht. Ich sag, sie hätte seinetwegen umgebracht werden können«, sagte Wilbur tags darauf in meiner Kanzlei zu mir.
    »Magst du ihn nicht?«
    »Ich mag nicht, dass er sich ständig bei Kippy Jo rumtreibt. Der Junge ist ein Krimineller, schlicht und einfach. Außerdem schaut er aus wie ’ne Kröte, die jemand in ein Vaselineglas gequetscht hat.«
    »Warum erzählst du mir das alles?«, fragte ich.
    »Earl Deitrich ist nicht der Einzige, der auf seiner Abschussliste steht. Hat dein Sohn irgendwas mit einer jungen Mexikanerin namens Esmeralda?«
    An diesem Abend saß ich auf einem Holzstuhl hinter Lucas’ Mietshaus und sah zu, wie er mit einem Sprenger die Tomaten auf einem steinigen Stück Boden goss, das er als Gemüsegarten bezeichnete. Die Luft war heiß und stickig und voller Vögel, und draußen auf der Staatsstraße hörte ich einen Sattelschlepper vorbeidonnern, und ich sah einen Truthahngeier, der von einem totgefahrenen Tier am Rande der Asphaltpiste aufflog. Lucas blickte ständig zu dem Trailer, in dem Esmeralda wohnte, während er die Pflanzen sprengte und vom Staub befreite, als könnte sie seine Worte hören.
    »Ich habe keine Angst vor Cholo. Und vor Ronnie Cross hab ich auch keine Angst«, sagte er.
    »Dummes Gerede, meiner Ansicht nach«, sagte ich.
    »Tja, du bist eben nicht ich.«
    »L.Q. Navarro hat immer zu mir gesagt, es gibt zweierlei Freunde, die man im Überfluss haben kann – diejenigen, die sich einfinden, wenn du obenauf bist, und diejenigen, die dich brauchen, wenn’s ihnen dreckig geht.«
    »Junge, ich wünschte, ich wäre schlau und hätte das auch schon alles geschnallt.«
    »Weißt du, was Kernholz ist?«
    »Klar ... Was ist das?«
    »Manche Bäume kriegen jedes Jahr eine neue Schicht Holz unter der Borke. Der Kern des Baumes wird immer fester, bis er fast so hart wie Eisen ist. Alteingesessene sagen, sie haben sich früher immer die Äxte dran kaputtgemacht.«
    »Aha?«, sagte Lucas, dessen Blick jetzt abschweifte. Esmeralda, ein Handtuch um die Haare geschlungen, hängte ihre Wäsche auf die Leine. »Was hat das mit dem zu tun, über das wir grade geredet haben?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich beschäftige mich damit und gebe dir Bescheid«, sagte ich.
    »Du bist ein rätselhafter Mann, Billy Bob.«
    Ich ging zu meinem Auto, ohne etwas zu erwidern.
    Mein Vater hatte als Heft- und Elektroschweißer an Pipelines in ganz Texas gearbeitet, und als ich neun Jahre alt war, nahm er meine Mutter und mich mit auf Montage in die Winding Star Mountains von Ost-Oklahoma. Es war Frühherbst, und das Laub der Hartholzbäume war bis hinauf zu den mächtigen Kämmen der Ozarks bereits rot und golden gesprenkelt. Mein Vater war kein allzu religiöser Mensch, aber er bemühte sich darum, den Zehnten zu geben, und trank normalerweise keinen Alkohol, außer an Weihnachten und am 4. Juli. Wie es der Zufall wollte, wurde die Pipeline an unserem letzten Sonntag in den Winding Stars stillgelegt, worauf er mich zu einem Gottesdienst am Ufer eines Bachlaufs mitnahm, dessen Wasser hellgrün wie Grütze über den kiesigen Grund strömte.
    Fiedel und Banjo spielten zum Choral auf, und der Prediger war ein zaundürrer Mann, der seine Bibel aufschlug, als wollte er daraus vorlesen, dann mit zugekniffenen Augen gen Himmel blickte, sich jedoch nicht ein einziges Mal versprach. Die Gemeindemitglieder zuckten und zappelten und sprachen in Zungen, um sich im nächsten Atemzug zum Mittagessen niederzulassen, das sie am Boden oder an den Ladeklappen ihrer Pickups zu sich nahmen. Doch das waren nicht die entscheidenden Eindrücke, die mich an diesem Nachmittag in meiner Kindheit prägten.
    Die Ufer des Wasserlaufs waren von der

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