Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
vom Tisch nebenan.
Dann hörte sie einen Motor aufröhren, der zu stark für die Karosserie war, in der er steckte, hörte, wie der Fahrer mit Zwischengas herunterschaltete, als er auf den Parkplatz stieß, hörte, wie das heisere Grollen aus den beiden Auspuffrohren von der Vorderwand der Gebäudes widerhallte.
Das Stimmengewirr am Tisch nebenan erstarb, als der Fahrer durch die Fliegendrahttür kam.
Er sah sie, sagte aber nichts. Anscheinend musterte er die Leute am Nebentisch, trat von einem Fuß auf den anderen, denn sie hörte die Dielen unter seinen Nagelstiefeln knarren, nahm den Geruch wahr, den seine Kleidung verströmte – eine Mischung aus Rauch, Alkohol und fettigem Schweiß.
Er ging zur Bar und kehrte mit einem eisverkrusteten Krug Bier zurück. Im Vorbeigehen stieß er mit der Schulter an den Türpfosten, sodass ein wenig Bier überschwappte.
Er stand jetzt hinter ihr, vor dem Ventilator an der Wand, der ihr seinen strengen Körpergeruch ins Gesicht blies. Stützte sich mit einer Hand auf die Rückenlehne ihres Stuhls, ließ die Muskeln an seinem Oberarm spielen, berührte mit den Fingerknöcheln ihr Schulterblatt.
»Wo ist dein Mann?«, fragte er.
»Du bist hier fehl am Platz«, erwiderte sie. »Du solltest nicht hierher kommen.«
»Wenn mir jemand was tut, nehmen sich die Purple Hearts die Leute hier vor, einen nach dem andern. Die kappen ihre Telefonleitungen. Niemand kann ihnen zu Hilfe kommen.«
»Du begibst dich in die Hand deiner Feinde.«
»Ich werde Deitrich zu Fall bringen. Ich werde ihn büßen lassen für das, was er dir angetan hat.«
»Setz dich zu mir. Reich mir deine Hände.«
Doch er achtete nicht auf sie. Er drehte sich um, als am Nebentisch Gekicher ertönte, eine Bemerkung über Mexikaner fiel, stieß jemandem den Ellbogen an den Hinterkopf. Dann schmiss er ein Tablett mit gegrillten Rippchen zu Boden, kippte einem Mann sein Bier ins Gesicht und spuckte einer Frau in die Haare.
Er hatte keine Chance. Die Männer, die er angegriffen hatte, bekamen Beistand von anderen, Männern mit breitem Akzent und Bohrschlamm auf der Kleidung, und sie fielen über ihn her und stießen ihn nach draußen, nahmen ihn in ihre Mitte und zerrten ihn über die Böschung hinunter zum Fluss.
Vor ihrem inneren Auge waren das Ufer und die Klippen über dem Wasser nicht mehr in Schatten gehüllt, vielmehr waren sie jetzt in ein kräftiges, gelb-schwarz strahlendes Licht getaucht, als ob um Mitternacht die Sonne schiene.
Kippy Jo stand am Fliegendraht auf der Veranda und lauschte auf die Laute, die vom Flussufer heraufdrangen. Die Menschenschar hatte einen Kreis gebildet, aber sie unterschieden sich nicht mehr voneinander. Sie hatten nur noch ein Gesicht, und es sah ebenso aus wie ihre Leiber, als wäre es aus gebranntem Lehm gemacht, und sie stachen mit zugespitzten Stöcken auf den Mann in ihrer Mitte ein, trieben ihn hin und her, wie einen Bären in der Grube.
Schräge Strahlen aus rotem Licht brachen aus den Wunden in seiner Haut. Ein heißes Grollen drang aus seiner Kehle, seine Hände schlugen wie Tatzen durch die Luft. Dann hob er den Kopf, blickte zu ihr auf, das eine Auge zugekniffen und verschwollen. Sie konnte die spitzen Stöcke spüren, die ihr in die Rippen stachen, in die Brust, als wäre sie an seiner Stelle. Sie tastete sich zwischen den Tischen hindurch zur Tür und den Pfad entlang, der hinab zum Ufer führte, berührte die Büsche zu beiden Seiten, spürte, wie sich Spinnweben in ihrem Haar verfingen.
Sie roch die hitzige Ausdünstung der Menschenmenge und blieb stehen. Sie nahm eine Gestalt vor sich wahr, streckte die Hände aus und berührte die harten Muskeln an einem Männerrücken, spürte, wie er zusammenzuckte, als hätten ihre Fingerspitzen seine Haut verbrannt.
Langsam wandten sich ihr sämtliche Gesichter in der Runde zu.
»Lady, Sie haben hier nichts zu schaffen«, sagte ein Mann. Doch sein selbstbewusster Ton verklang, bevor er den Satz zu Ende gebracht hatte.
Sie trat in den Kreis und berührte das Gesicht des Mannes in der Mitte, die Nässe, die aus seinem Haar rann, das Auge, das unter ihren Fingerspitzen zuckte. Sie fuhr ihm mit der Hand über die Schulter und fasste ihn am Oberarm.
»Du musst mich raus zur Straße bringen und bei mir bleiben, bis Wilbur zurückkommt«, sagte sie.
Sie dachte, er würde ihr widersprechen, doch er tat es nicht. Gemeinsam gingen sie auf den Pfad zu, durch die Menschenmenge, die sich vor ihr teilte, in ihre blicklosen Augen
Weitere Kostenlose Bücher