Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Kumpel Marvin Pomroy erzählen, was ich Ihnen grade erzählt hab?«
»Wir verschaffen uns einen Vorteil. Lass die andern ihren Mist selber ausbaden.«
»Sie sind alt. Sie brauchen sich keine Sorgen wegen Jungs wie Jeff Deitrich und Chug Rollins zu machen. Ich hasse diese Stadt. Es kotzt mich an, dass ich blöd bin und kein Geld habe und nicht kapiere, wenn mich andere Leute veräppeln. Ich krieg den Affen. Ich muss mir was besorgen.«
»Kein Dope. Bloß einen Tag lang. Wir lassen dich entgiften.«
Aber er ging einfach. Sein Hemd war hinten, von den Schulterblättern bis zu dem breiten Gürtel, so nass, als hätte ihm jemand ein zusammengerolltes Handtuch an den Rücken gedrückt.
An diesem Nachmittag saß ich in Marvin Pomroys Büro und blickte aus dem Fenster auf den Rasen vor dem Gerichtsgebäude.
»Wollen Sie mir vielleicht verraten, weshalb Sie hier sind?«, fragte er.
»Heute war nicht viel los.«
»Mit Ihren Mandanten? Ich nehme das zurück. Sie haben keine Mandanten. Sie hüten eine Horde Krimineller.«
Aber es war erkennbar, dass ich seine Bemerkung nicht komisch fand. Er nahm seine randlose Brille ab und spähte durch die Gläser, als suche er nach einem Sprung.
»Ich habe Sie vorhin gesehen, als Sie in den Drugstore gegangen sind und vier verschiedene Tageszeitungen gekauft haben«, sagte er. »Ich habe mich gefragt, weshalb ein Strafverteidiger so etwas macht.«
»Keine Ahnung«, sagte ich.
»Einer Ihrer Mandanten hat Ihnen ein besonders abscheuliches Verbrechen gestanden oder Ihnen irgendetwas anderes erzählt, das Ihnen schwer zu schaffen macht. Da die Mehrzahl Ihrer Mandanten geistesgestört ist, möchten Sie gern glauben, dass es sich bloß um eine Halluzination handelt. Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich mich irre«, sagte er.
Ich neigte unverbindlich den Kopf.
»Plagen Sie sich damit ab, so viel Sie wollen. Sie können dieses Dreckspack noch viel weniger ausstehen als ich«, sagte er.
»Haben Sie einen Spielplan für die Junioren zur Hand?«, fragte ich.
»Sehr schlau«, sagte er.
Aber es war nicht das letzte Mal, dass ich an diesem Tag mit Marvin Pomroy zu tun hatte. Kurz vor fünf, als wieder einmal ein ausgeglühter Nachmittag mit über 37 Grad in den letzten Zügen lag, schaute ich aus dem Fenster meiner Kanzlei und sah, wie zwei Streifenwagen der Sheriff-Dienststelle und ein Kleinbus voller mit Gewehren bewaffneter Deputys im Schatten auf der Nordseite des Gerichtsgebäudes parkten. Die Deputys stiegen aus und standen auf dem Bürgersteig herum, wirkten müde und verschwitzt mit ihren staubigen Uniformen und Diensthüten.
Ich rief Marvin an.
»Was ist denn mit Hugos Schlägertruppe los?«
»Gut, dass Sie fragen. Es geht um Ihre Mandanten, Skyler Doolittle und Jessie Stump. Sie waren auf dem Hügel oberhalb von Earl Deitrichs Anwesen. Woher wir das wissen? Weil Jessie Stump heute Nachmittag einen Pfeil mit einer Stahlspitze knapp fünf Zentimeter an Earls Kopf vorbeigeschossen hat.«
»Warum sollte Jessie Earl etwas zuleide tun wollen?«
»Könnte es womöglich etwas damit zu tun haben, dass Doolittle glaubt, Earl wäre der Antichrist? Könnte möglicherweise Doolittle dahinter stecken? Ich hab keinen Schimmer.«
»Vielleicht haben Earl und Jessie einander gesucht und gefunden.«
»In welche Kirche gehen Sie? Ich frage nur deshalb, weil ich einen weiten Umweg darum machen möchte.«
Am Dienstagabend machte Wilbur Pickett einen Fehler. Er hielt bei Shorty’s, besorgte etwas vom Grill, ließ Kippy Jo dort sitzen und fuhr ein Stück die Straße runter, weil er jemandem einen Schweißapparat verkaufen wollte.
Sie saß an dem Holztisch auf der mit Fliegendraht umgebenen Veranda und spürte, wie der Wind aufkam, die Schatten auf dem Fluss länger wurden, wie die Sonne gleißend gelb über die Klippen schien, bevor sie in einem rot und lila getönten Dunstschleier hinter dem Weideland im Westen unterging.
Rundum lärmten junge Leute, die zu laut redeten, die Bedienungen behandelten, als wären sie Luft, ungerührt schmutzige Redensarten schwangen, als wollten sie andere bewusst verletzen, weil sie sich nur dadurch bestätigt fühlten.
Aber vor ihrem inneren Auge sah sie Wilbur, der mit seinem Pickup vor der Schweißerei unten an der Straße hielt, und sie wusste, dass er in einer Viertelstunde wieder zurück sein würde, so wie er es gesagt hatte, und aß weiter und horchte auf den Wind und das Rauschen des Flusses, der um die Felsen strömte, und achtete nicht auf die Stimmen
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