Feuersee
uns, bei deinem
Volk,
das dich braucht. Du kannst uns raten …«
Der Schemen des alten Mannes geriet in Bewegung,
wie von einem Wind geschüttelt, den niemand sonst
spürte. Es schien mit aller
Kraft darum zu ringen, den Lebenden etwas mitzuteilen, und an dem
Unvermögen zu
verzweifeln, sich verständlich zu machen.
»Vater, bitte!« flehte Edmund.
»Komm zurück! Wir
brauchen dich!« Das Schattenbild flackerte, die Umrisse
zerflossen, es wurde
durchsichtig, fast unsichtbar. Der Leichnam regte sich. Ihn durchfuhr
der
gleiche Ruck, wie er bei den anderen dem Erwachen vorausgegangen war,
und er
machte schwerfällig Anstalten, sich zu erheben.
»Vater, mein König«, sagte Edmund
und verneigte
sich tief.
Der Schemen wand sich in der Luft wie Nebel über
einem Teich. Der Wiedergänger hob die abgezehrte,
wächserne Hand zum Dank für
die Huldigung, aber dann drehte sich der Kopf mit der goldenen Krone
und den
starren, ausdruckslosen Augen hierhin und dorthin, als wisse er nicht,
was tun.
Der Prinz wandte sich halb zur Seite, seine Schultern sanken herab.
Lautlos
trat der Nekromant neben ihn.
»Es tut mir leid, Hoheit.«
»Ihr habt keine Schuld, Baltasar. Ich
wußte es
ja.«
Der Leichnam des Königs stand vor seinen
Untertanen, in der ihm zu Lebzeiten eigenen gebieterischen Pose, die
jetzt wie
ein trauriges Zerrbild seiner früheren
Größe wirkte.
»Wider alle Vernunft hatte ich gehofft, bei ihm
könnte es anders sein«, sagte Edmund leise, wie um
von seinem Vater nicht
gehört zu werden. »Im Leben war er so stark, so
tatkräftig …«
»Die Auferstandenen können nicht mehr sein,
als
sie sind, Hoheit. Für sie endet das Leben, wenn das Gehirn
stirbt. Wir können
dem Körper das Leben wiedergeben, aber damit endet unsere
Macht. Wir können
ihnen nicht die Fähigkeit verleihen zu lernen, auf die Welt
der Lebenden zu
reagieren. Euer Vater wird auch weiterhin König sein, aber nur
für jene, die
schon vor ihm gestorben sind.«
Edmunds Blick folgte der Handbewegung des
Nekromanten. Sein Vater hatte die leeren Augen auf die Schar der Toten
gerichtet, die im hinteren Teil der Höhle standen. Die
Wiedergänger verneigten
sich ehrerbietig, und der Leichnam des Königs, dessen Schemen
kummervoll raunte
und wisperte, kehrte sich von den Lebenden ab, die ihn nicht mehr
kannten, und
schritt zu den Toten, die ihn erwarteten.
Edmund wollte ihm folgen, doch Baltasar hielt
ihn am Ärmel fest.
»Hoheit …« Mit einem Blick gab
der Nekromant ihm
zu verstehen, daß er unter vier Augen mit ihm reden wollte.
Die beiden gingen
ein Stück abseits, und die Menge machte ihnen respektvoll
Platz.
Mit einer unauffälligen Handbewegung befahl
Haplo dem Hund, ihnen zu folgen. Das Tier gehorchte und
drängte sich an Edmunds
Bein. Unbewußt bückte sich der Prinz ein wenig und
streichelte über das seidige
Fell. Durch die Ohren seines vierbeinigen Vasallen hörte Haplo
jedes Wort, das
gesprochen wurde.
»… solltet Ihr die Krone
nehmen!« sagte der
Nekromant mit leiser, drängender Stimme.
»Nein!« Die Antwort des Prinzen klang
entschieden. Er schaute zu dem Leichnam seines Vater, der mit einem
Ausdruck
maskenhaften Stolzes ziellos zwischen seinen toten Untertanen
umherging. »Er
würde es nicht verstehen. Er ist der König.«
»Aber, Hoheit, wir brauchen einen lebenden
Herrscher …«
»Tatsächlich?« Edmund
lächelte bitter. »Warum?
Die Toten sind zahlreicher als wir. Wenn die Leute zufrieden sind, mir
als
ihrem Prinzen zu folgen, bin ich zufrieden, ihr Prinz zu bleiben.
Genug, Baltasar.
Ich lasse mich nicht drängen.«
Die junge Stimme wurde hart, die Augen blitzten.
Der Nekromant verneigte sich stumm und entfernte sich, um seinen
Pflichten
nachzukommen, zu denen auch die Beaufsichtigung der Toten
gehörte. Edmund blieb
allein zurück, in sich gekehrt und gedankenversunken. Der Hund
winselte und
beschnupperte die Hand, die ihn geistesabwesend streichelte. Der Prinz
blickte
zu ihm hinunter und lächelte matt.
»Danke für deinen Trost, Freund«,
meinte er.
»Und du hast recht, ich bin ein nachlässiger
Gastgeber.« Gemeinsam kehrten sie
zu Haplo und Alfred zurück, und Edmund ließ sich
neben ihnen auf dem felsigen
Boden nieder.
»Auch bei uns gab es früher solche
Tiere.«
Edmund zauste den Hund, der mit dem Schwanz wedelte und seine Hand
ableckte.
»Ich kann mich erinnern, an meine Jugend
…« Er verstummte, seufzte und
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