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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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freiwillig zu schinden, können sie gleich auch ein paar Pyramiden bauen...
    Wolpers hatte einen richtigen Segeltörn organisiert, vom Jachthafen von Honolulu aus weit hinein in den Kaiwi-Kanal, der die Inseln Oahu und Molokai voneinander trennt. Ganz anders, als es sonst seine Art war, lachte und scherzte er bereits beim Frühstück, denn er hatte gemerkt, dass ich vor Angst die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, und hoffte deshalb auf meinen Herztod vor laufender Kamera.
    Unter »Segeljacht« hatte ich mir natürlich einen dieser edlen Schicki-Eimer vorgestellt: Fiberglas, Radar, mehrere Hilfsmotoren und eine luxuriöse Rettungskapsel ausschließlich für mich. Aber Wolpers bestand auf einem Holzboot traditioneller Bauart, »aus optischen Gründen«, was in der Produzentensprache heißt: »das billigste, was aufzutreiben ist«. Nach langen Telefonaten schien er es gefunden zu haben. Im Sailing Club würde uns Richard, der Skipper, erwarten.
    Das Clubhaus bestand hauptsächlich aus einer riesigen Bar, üppig dekoriert mit Seglerramsch aus allen sieben Weltmeeren und trotz der Morgenstunden schon bestens besucht. Sofort umbrandete uns amerikanische Herzlichkeit mit Schulterklopfen und unzähligen Vornamen. Bier wurde angeboten, und die ersten Beachboys versuchten bereits, der blonden Marilyn Mick, unserer Aufnahmeleiterin in Hawaii, die Telefonnummer zu entlocken. Da machte ich den Fehler, nach Richard zu fragen, den Kapitän unserer Segeljacht.
    Schlagartig wurde es stumm im ganzen Raum. Ausgestreckte Hände wurden wieder eingezogen, Blicke senkten sich, sogar das Licht schien sich zu verändern. Plötzlich standen wir allein am Tresen, die anderen hatten sich an ihre Tische verzogen oder standen tuschelnd an der Wand, mit dem Rücken zu uns. Hörte ich unterdrücktes Kichern?
    Nach einer ratlosen Weile wurde uns eine Botschaft überbracht: Richard habe ein kleines Problem mit dem Motor, die Abfahrt könne sich leicht verzögern, er werde uns aber auf dem Laufenden halten — kenne ich von der Lufthansa: Gewöhnlich sitzt man dann den Rest des Tages in der Abflughalle. Mir war das natürlich nicht unlieb, im Gegenteil: In mir wuchs bereits Hoffnung, der Liebe Gott hätte ausnahmsweise das Gebet eines Atheisten akzeptiert und die Segelpartie per Wunder verhindert, als plötzlich die Tür aufsprang: Richard, der Skipper.
    An sich eine sympathische Erscheinung: ein jovialer Endvierziger mit Seehundbart und Bierbäuchlein, ein bisschen verschwitzt und ölverschmiert, aber offenbar bester Dinge. Warum sich so viele Leute im Raum die Augen zuhielten und manche sich sogar bekreuzigten, war mir zu diesem Zeitpunkt unverständlich.
    Der Teil des Jachthafens, durch den wir mit Richards Beiboot dümpelten, war nicht gerade ein Parkplatz für Luxussegler. Eher älteres Gerät war da vertäut, liebevoll gepflegte Familienkähne mit schnörkeligen Inschriften, Mittelstandsjachten so um die 50 000 Dollar, aber auch ein paar angerostete und dringend reparaturbedürftige Museumsstücke, und dazwischen ein richtiger Seelenverkäufer, alt und verkommen bis zur Lächerlichkeit, der wohl mal zur Ausstattung eines klassischen Piratenfilms gehört hatte... he, Moment mal! Wieso fuhren wir genau auf dieses Wrack zu?
    Die »Lilli Dansker« war ein uralter Holzsarg, wie man ihn sonst nur im Schlosspark eines Fischkonserven-Milliardärs findet: »Damit hat mein Uropa seinen ersten Hering gefangen.« Die Farbe war fast vollständig abgeblättert, alles Metallische verrostet, die Segel rochen nach Altöl und die Holzplanken nach Kotze. Schwimmwesten sah ich keine, dafür aber überall leere Bierdosen.
    Mit einer vollen Bierdose begrüßte uns der Steuermann, der noch verschwitzter und ölverschmierter war als Richard. »Das ist meine crew, stellte Richard ihn vor, seine Mannschaft also, und hängte einen Kalauer dran: »Sein Name ist Crew.« Da dieser ernsthaft nickte, könnte es durchaus sein, dass das gar kein Kalauer war, sondern sein echter Name. Crew selber trug nichts zur Aufklärung bei, denn er verweigerte jedes Gespräch und öffnete seinen Mund nur, wenn er an der Bierdose nippte. Er hatte immer Bierdosen in der Hand, außer beim Umfüllen des Diesels. Da rauchte er eine Zigarette.
    Der Hilfsmotor sei jetzt wieder in Ordnung, sagte Richard, wir könnten rausfahren und die Segel setzen. Leider war das Steuerruder nicht in Ordnung. Es klemmte, und wir rammten beim Ablegen ein Nachbarboot. Beim Versuch, das Ruder gängig zu machen,

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