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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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war nur ein schwacher Trost. Doch außer dem Phänomen, dass ich eine Woche lang bei jedem Atemzug eine kleine Staubwolke aus stieß, erlitt ich keinen weiteren Schaden. Und Angst hatte ich sowieso nicht. Da bin ich durch Fahrten mit Stephan am Steuer weit Schlimmeres gewohnt, vor allem, wenn Wolpers Navigator ist und die beiden endlos und hysterisch über die kürzeste Route zanken.
    Auch bei der morgendlichen Ballonfahrt über die Mara-Steppe hatte ich keine Zeit für irgendwelche Angstgefühle. Dazu kam die Beinah-Katastrophe viel zu schnell und überraschend: Bei der Landung kippte die Gondel um und schleifte durch die Landschaft, während wir und die Gerätschaft durcheinander purzelten. Es war übrigens der einzige Anschlag, bei dem Wolpers auch den Verlust von Stephan in Kauf nahm, der sich mit mir an Bord befand. Aber da dies so ziemlich am Ende unserer Dreharbeiten geschah und Stephan pro Drehtag bezahlt wird, nehme ich an, dass Wolpers in der Nacht zuvor über der Kalkulation saß und überlegt hatte, wo er noch sparen könnte.
    Nun fragen Sie sich bestimmt, wieso Wolpers Schuld an dieser Panne haben soll; er war ja nicht mal mit in der Gondel, da im Film nur der Pilot und ich zu sehen sein durften, weshalb Wolpers mit dem Auto zum Zielort fuhr. Dazu meine Antwort: Er hatte den Piloten ausgesucht. Und abgefüllt.
    Als wir bei Morgengrauen am Startplatz der Heißluftballone ankamen, herrschte rege Betriebsamkeit. Gasbrenner zischten, Seile spannten sich, und drei der Ballone hatten sich bereits zu prallen Halbkugeln aufgebläht. Nur der vierte, der unsere, lag leer und unbeachtet auf der Wiese, wie ein vergessener Müllsack. Auf die Frage nach dem Piloten gab Wolpers eine ausweichende Antwort. Dabei hatte ich genau beobachtet, wie er den ganzen Vorabend klüngelnd mit ihm zusammensaß. Und zwar an der Bar, mit einer Batterie Bierflaschen vor den beiden. »Drehvorbereitung«, hatte Wolpers diesen Vorgang genannt, obwohl Stephan und Erik längst im Bett waren.
    Eine Staubwolke kam näher, aus dem Jeep sprang der Pilot. Mürrisch jagte er seine Helfer durch die Gegend. Zu uns sprach er kein Wort, aber das verstand ich nur zu gut: Ein Pilot, der zu spät kommt, hat das Gesicht verloren, zumal seine drei Kollegen bereits gestartet waren. Kann es sein, dass ich in deren Augen zum Abschied so was wie Spott flackern sah? Oder war es Mitieid?
    Die Ballonfahrt über der erwachenden Savanne war ein Traum: Nur wenige Meter hoch glitten wir über die Akazienbäume hinweg, über den sumpfigen Fluss mit den Krokodilen und Nilpferden. Gazellenherden trabten über den staubigen Boden, wir begegneten einer Elefantenfamilie, eine Giraffe ergriff panisch die Flucht, als sie der Schatten des Ballons streifte. Und die Zebras waren so nahe, dass man sie fast hätte riechen können, wäre der Atem des Piloten nicht so viel intensiver gewesen. Die »Drehvorbereitung« muss ganz schön heftig gewesen sein, und ich verfolgte mit größtem Misstrauen, wie er den Brenner betätigte, um die Luft in der Ballonhülle nachzuheizen: Ich hatte Angst, die Gasflamme könnte seinen Atem entzünden und unser Gefährt wie eine Rakete ins All schießen lassen.
    Es war eine unnötige Sorge. Majestätisch und lautlos schwebten wir dahin — das heißt, ganz so lautlos auch wieder nicht. Denn zwischendurch zog immer wieder ein hässlich knatternder Ultralight-Flieger vorbei, von dem aus Erik unseren Ballon mit der Digitalkamera filmte. Er war im Huckepack auf dem Rücken einer jungen Pilotin festgeschnallt und sah dabei — je nach Fantasie — aus wie ein kopulierender Frosch oder E.T. auf seinem Flug mit dem Fahrrad.
    Die anderen Ballone waren längst gelandet und deren Fahrgäste saßen bereits am Frühstücksbüffet, das mitten in der Wildnis aufgebaut war, komplett mit Rührei und Champagner. Offenbar ahnte unser Pilot, dass es nicht gut gehen würde, denn plötzlich wurde er gesprächig: Wir sollten uns auf den Boden hocken, die Knie anziehen, beide Hände fest an den Haltegriffen. »Auf keinen Fall aussteigen, bevor ich es sage«, schrie er und zog hektisch an irgendwelchen Seilen. »Auch dann nicht, wenn ihr glaubt, dass wir da sind!«
    Ich grübelte gerade über den Sinn seines letzten Satzes, als es einen harten Schlag gab: Wir waren da. Jedenfalls glaubte ich das, doch hinterher gab es noch weitere Schläge, woraus ich folgerte, dass wir doch noch nicht da waren. Aber wir flogen auch nicht wieder weg, sondern landeten immer aufs Neue.

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