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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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den Walen waren?
    Wir sollten es niemals heraus finden, denn bis zum Schluss der Reise sagte Erik nur noch »zupp«.

Die Bierlosen

    Die Arbeiter von Prudhoe Bay, dem größten Ölfeld Nordamerikas, hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Die härtesten Burschen der Welt, dachte ich, würden sich hier versammeln, die rauhesten Kerle aus den finstersten Ecken, ölverschmierte Söldner und Ex-Legionäre, die größere Herausforderungen suchten als nur lächerliche Kriege, wüste, abenteuerliche Gestalten, wie wir sie aus »Mad Max« oder ähnlichen Endzeitfilmen kennen, vielleicht sogar Mutanten und Außerirdische.
    Aber es waren Leute mit Bäuchen und Brillen wie beim WDR. Vielleicht mit einer besseren Gesichtsfarbe, aber nicht von der Mitternachtssonne, sondern vom Arbeitsrhythmus: Zwei Wochen wird ohne Pause geschuftet, danach gibt’s zwei Wochen Urlaub, und wenn man von Alaska geradewegs nach Süden fliegt, ist man in vier Stunden in Hawaii. Erstaunlich viele Ölkumpel haben dort ihr Ferienhäuschen, kann man sich auch leisten, bei einem Durchschnittsverdienst von ioooo Dollar für einen Techniker. Vielleicht gibt’s die wilden Kerle draußen auf den Bohrinseln, aber da durften wir leider nicht hin. Das ist nämlich das Wunderbare an der amerikanischen Pressefreiheit: Man darf über alles berichten, aber man kommt nirgendwo rein. Nur im öffentlichen Raum kann man ohne Beschränkung filmen, doch gibt es keinen öffentlichen Raum. Entweder man befindet sich auf Privatgrund, und dann hat man ständig einen PR-Gorilla im Nacken, der darauf achtet, dass man nur das zu sehen kriegt, was die Firma befiehlt, oder man ist in den Krallen einer Behörde, und dann braucht man eine Drehgenehmigung, egal ob für Straßenkreuzung, Nationalpark oder Müllhalde. Ein bisschen absurd ist es schon: In den so genannten »unfreien« Ländern ist zwar alles grundsätzlich verboten, aber man findet immer einen Weg drum herum; im Mutterland der freien Rede ist alles erlaubt, aber es findet sich immer jemand, der es verhindert.
    Am stärksten bekamen wir das in Valdez zu spüren, dem eisfreien Hafen im Süden, wo die Pipeline mit dem Öl aus Prudhoe Bay nach einem Weg von 1300 Kilometern endet. Hier werden die Supertanker beladen — und in unmittelbarer Nähe geschah am 24. März 1989 die Katastrophe: In der Prinz William Bucht, nur wenige Kilometer vor dem offenen Meer, lief der Supertanker »Exxon Valdez« auf ein Riff, 42 Millionen Liter Rohöl verseuchten fast 2000 Kilometer Küstenlandschaft. Heute bemerkt man keine Spuren mehr davon — außer in Form erhöhter Nervosität des Wachpersonals. Denn die Debatte um den Schadenersatz ist immer noch nicht endgültig vorbei, in jedem Kamerateam wittern deshalb die Ölleute militante Naturschützer oder nimmer-satte Anwälte.
    Wir wollten nur das allerletzte Stück Pipeline filmen, die Pumpstation am Meer. Aber wo immer wir unser Stativ aufstellten, erschien aus dem Nichts ein schwarz uniformierter Wächter und sagte nein, selbst in weitester Entfernung von dem mit hohem Stacheldraht abgesicherten Betriebsgelände. Und sogar unten, am Meeresstrand, drohten uns von den Felsen oben die schwarzen Sheriffs, und da sie alle mächtige Colts in den Gürteln stecken hatten, nahmen wir die Drohung ernst — bis auf Stephan, der sicher auch noch die anfliegende Kugel gefilmt hätte. Aber für das Stativ war Wolpers zuständig, der als typischer Produzent immer nur ans Überleben denkt, und ohne Stativ keine Landschaftsaufnahmen, so lautet das Kameragesetz. Es gibt daher von Valdez nur eine kurze, etwas alberne Szene OHNE Stativ, die mit meiner Nase direkt vor der Kameralinse endet. Sie war nicht sonderlich gut geraten, aber als wir sie wiederholen wollten, näherte sich schon wieder eine schwarze Uniform mit Colt, und diesmal war ich es, der weglief.
    Viel netter war man hingegen oben in Prudhoe Bay mit uns, auf dem Ölfeld selbst. Und wenn ich sage »Ölfeld«, dann klingt das wie ein größerer Fußballplatz mit ein paar Bohrtürmen drauf. In Wirklichkeit ist es ein Gelände von mehr als 500 Quadratkilometern zu Land und zu Wasser, das sich sechzehn Ölgesellschaften teilen, mit einer Förderleistung von täglich 250 Millionen Litern aus insgesamt 330 Bohrquellen. Wenn man also überlegt, dass sich bei der Katastrophe von Valdez gerade mal die Pumpleistung von fünf Stunden ins Meer ergoss und dies ausreichte, um für Jahre ganze Landschaften zu verwüsten, ahnt man, was für ein

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