Feuersteins Reisen
Anchorage niedergelassen hatte und gerade dabei war, durch Betreuung von elchjagenden Zahnärzten und anderen Individualreisenden aus Deutschland ein kleines Tourismusunternehmen aufzubauen. Sie war hager, burschikos, zäh und auf eine sympathische Art ein bisschen verrückt — und es sollte sich bei den folgenden Reisen heraussteilen, dass wir, sofern die Aufnahmeleitung weiblich war, immer wieder an diesen Typ gerieten: hagere, burschikose, zähe und ein bisschen verrückte Frauen zwischen 30 und 40, die meistens gerade eine unglückliche Beziehung hinter sich hatten und daher gewohnt waren, von Männern ausgenutzt zu werden — die ideale Voraussetzung dafür, ein Kamerateam wie das unsere zu betreuen.
Als ich hörte, dass sie den Pilotenschein hat, mochte ich sie schon im Voraus. Denn so einen habe ich auch, besser gesagt, ich hatte ihn (für Fachleute: den C-VFR für Einmots). Aber nach zwanzig Jahren Fliegerei mit 650 Flugstunden und über 2000 Landungen ist er inzwischen verfallen, als ich mal zwei Jahre lang nicht genügend Flugstunden (man braucht 24) für die Verlängerung aufbrachte. Macht ja auch nichts, denn wenn mich heute die Lust packt, muss ich eben zusätzlich zum Flugzeug auch noch einen Fluglehrer chartern; der sitzt dann rechts neben mir und guckt staunend zu, wie gut ich alles noch kann.
Nun passiert es mir häufig, dass ich einen »Fliegerkameraden« im Voraus mag, aber nach der ersten Begegnung nicht mehr ausstehen kann. Denn Hobbyflieger — und ich vermeide sorgfältig die grundfalsche Bezeichnung »Sportflieger«, um auf keinen Fall auch nur in die Nähe einer spordichen Betätigung gerückt zu werden — sind entweder dumme Snobs mit Föhnfrisur oder langweilige Propeller-Freaks mit Endlos-Monologen über Gemischverhältnis und GPS-Navigation. Unsere Rose Waldstein hatte aber dieses gewisse Etwas, das sie für mich geradezu unwiderstehlich machte: nämlich zusätzlich zum Pilotenschein auch noch die Fluglehrerlizenz. Denn das bedeutete: Da darf ich selber an den Steuerknüppel.
Allein aus Notwendigkeit ist Alaska ein Fliegerparadies, denn die Entfernungen sind riesig: von oben nach unten 2300 Kilometer, von Ost nach West 3800 — Deutschland würde gleich sechsmal in diese Fläche passen. Die wenigen Straßen, die es hier gibt, sind zwar amerikanisch perfekt, aber außerhalb der Ortschaften enden sie gewöhnlich schon nach wenigen Kilometern im Nichts. Also ist das Flugzeug das Hauptverkehrsmittel. Weit über tausend Flugplätze weist Alaska auf, und 300 Fluggesellschaften verbinden auch die letzten Iglus miteinander, wenn es denn welche gäbe. Jeder vierzigste Alaskaner hat einen Pilotenschein, jeder sechzigste ein eigenes Flugzeug und jeder tausendste eine Fluglehrerlizenz.
Mit ihrer Lehrerlizenz zählte Rose Waldstein zwar zu den oberen tausendsten, aber leider war sie keine sechzigste, das heißt, sie hatte kein eigenes Flugzeug. Also mussten wir mit Verkehrsflugzeugen und Charterpiloten vorlieb nehmen — zur Erleichterung von Wolpers, dem sein eigenes, lächerliches Leben wieder mal wichtiger war als mein Wohlbefinden. Wie gern hätte ich die Chance gehabt, mein Team wenigstens einmal selber durch Wind und Wolken zu steuern, wie das Herbert von Karajan und König Hassan von Marokko taten und Niki Lauda immer noch tut, kühn, aber verantwortungsvoll, der stolze Herr der Lüfte. Aber was soll’s, die Kerle sind das ohnehin nicht wert.
Gegen Ende der Reise gab es dann doch ein paar freie Stunden, die Rose und ich für einen privaten Rundflug nutzten. Sie hatte was ganz Wunderbares aufgetrieben, eine C 15o, die kleinste Maschine der Cessna-Familie, ein Zweisitzer, der eigentlich nur in Flugschulen benutzt wird, zum Grundtraining. Zum Reiseflug ist sie weniger geeignet, denn sie ist so langsam, dass man ständig von Lastern überholt wird, wenn man über der Autobahn fliegt, und Gepäck kriegt man sowieso kaum rein. Seit der Flugschule hatte ich nur einmal noch in einer C 150 gesessen, notgedrungen, weil es gerade nichts anderes gab: von Hamburg nach Emden. Dort fand die Premiere des allerersten Otto-Films statt, und ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen.
Natürlich kam ich zu spät, denn es war Gegenwind, und da überholen einen in der Cessna 150 sogar die Fußgänger. Als ich endlich über Emden war, war auch der kleine Flughafen schon geschlossen und meine Funksprüche gingen ins Leere. Bis ich rief: »Ich muss zu Otto Waalkes!« Da meldete sich plötzlich doch noch jemand
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