Feuersteins Reisen
nötig, würden die beiden auch auf der Tragfläche des Flugzeuges sitzen. Liebend gern hätte ich diese meine wunderbaren Freunde allesamt im Oberdeck des Jumbos willkommen geheißen. Aber da war das Produktionsbudget vor, denn die First ist im Durchschnitt gut fünfmal so teuer wie die Touristenklasse.
Genau das war der Stein des Anstoßes im Haus meines geliebten Feindsenders WDR. Schon nach den ersten drei Folgen wurde geflüstert, getuschelt, angedeutet — und mir schließlich um die Ohren geknallt: »Feuerstein fliegt auf Kosten der Gebührenzahler in der ersten Klasse!«
Ich glaube nicht, dass Neid der Grund dafür ist. Für diesen gäbe es bei einem Multimilliardenverteiler wie dem WDR wahrhaft größere Objekte der Begierde. Eher dürfte eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und ideologischem Missverständnis daran schuld sein. Denn bei allen Sendeanstalten besagt die Gewohnheit, dass Reisefilme auf der untersten Stufe der Finanzausstattung zu stehen haben: Ein Wanderstab, ein Zelt, ein paar Tüten Trockensuppe, dazu eine Kamera, und fertig ist die Reise an die Quellen des Nil. Meine Art des Erzählens hingegen, mit vielen Geschichten und häufigem Ortswechsel, verlässt den Boden der geografischen Expedition und will nicht nur informieren, sondern auch amüsieren; sie ist entsprechend teurer und wird deshalb entsprechend misstrauischer beäugt. Und die ideologische Betrachtungsweise, so tief verwurzelt in der Tradition des WDR, verschärft das Ganze durch die Überzeugung, dass Wahrheit nur durch Entbehrung erzielbar sei; Luxus korrumpiere und die Annäherung an das Ziel im Liegesessel der First könne nur in Menschenverachtung enden. So ein Blödsinn. Als ob Humboldt den Amazonas im Ruderboot erforschen musste. Als ob Livingstone keine einheimischen Gepäckträger gehabt hätte, die abends die Moskitos wegwedelten und auch mal für ihn tanzten.
Auch ich bin als Linksideologe aufgewachsen und werde, nach Zwischenstadien als John F. Kennedy und Norbert Blüm, wahrscheinlich als Franz Josef Strauß sterben, so läuft nun mal der revolutionäre Entwicklungspfad. Aber auch als Linksideologe hatte ich niemals akzeptiert, dass Sex der einzig erlaubte Luxus im Klassenkampf war, Golfschläger und Fünfsterne-Hotels hingegen Feinde der Revolution. Als ich 1969 voll Enthusiasmus von New York nach Frankfurt zurückzog, um — trotz leichter Verspätung — ein kämpferischer Achtundsechziger zu werden, durfte ich nicht mitspielen, weil ich mir als Erstes einen Jaguar gekauft hatte. Es war ein gebrauchter, ständig kaputter Jaguar, aber ein Jaguar eben, und als solcher nicht zugelassen für den Transport der Revolution. Heute sind die Mitspielverweigerer von damals längst in BMWs umgestiegen, während ich immer noch in einem lausigen Jaguar Double Six Zwölfzylinder für 150 000 Mark sitzen muss, ich armes Schwein.
Dreißig Jahre ist es her, dass ich kein Achtundsechziger wurde. Verfolgt mich der Klassenkampf im Flugzeug als eine Art Nachprüfung? Wobei ich zugeben muss: Ganz unschuldig war ich an dieser Entwicklung auch wieder nicht. Denn aus kindlicher Freude über die Privilegien in der Jumbo-Oberstube hatte ich diese schamlos übertrieben: Eine finnische Sauna gäbe es in der First, behauptete ich, ein Dutzend Billardtische, einen Swimmingpool, einen Golfplatz mit neun Löchern und einen Massagesalon samt Puff. Alles gelogen natürlich, auch der Massagesalon — bei der Lufthansa jedenfalls. In Wahrheit gibt es nur diesen extrabreiten Sitz, der sich in ein flaches Bett verwandeln lässt; der Rest ist nicht anders als die Art von Gemeinschaftsstube, die ich sonst so sorgfältig vermeide: eine muffige Höhle voll dicker, schnarchender und furzender Kerle.
Bleibt freilich die Tatsache des fünffachen Preises. Denn inzwischen maulten auch schon die Zeitungen. »Es geht schon viele Jahre: Wenn ein Feiertag auf dem Kalender steht, gibt’s Herbert Feuerstein, wie er auf Kosten Ihrer Rundfunkgebühren durch die Welt reist.« Natürlich die >taz<. Dabei stimmt das gar nicht. Kein Pfennig von der GEZ steckt in meiner ersten Klasse, ich habe sie immer selber bezahlt. Nicht mit Geld, sondern viel härter noch: Mit Meilen, gesammelt in mühsamer Kleinarbeit auf unzähligen Privatreisen, im »Miles-and-More-Programm«, wo man für jeden Lufthansa-Flug ein Punkteguthaben kriegt, das man durch Freiflüge oder Höherstufung in die nächste Klasse abdienen kann. Dafür habe ich den liebevollen Service der asiatischen Airlines
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