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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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deutschen Wissenschaftler »Penis-Köcher« bevorzugen — was aber auch wieder nicht ganz stimmt, denn in einem Köcher stecken gewöhnlich mehrere Pfeile, in einem Namba aber nur der eine. Dabei wird der Penis mit einem breiten Blatt der Pandang-Palme umwickelt, am Ende verknotet und mit Halmen an einem schmalen Bauchgürtel befestigt, so dass das Ganze nach oben ragt, was schon mal recht eindrucksvoll aussieht und an den alten DDR-Spruch »Immer bereit« erinnert. Trotzdem gilt das nur als »Kleiner Namba«, und so nennen sich deren Träger auch selber, unabhängig von ihrer sprachlichen Zugehörigkeit. Die »Großen Nambas« hingegen benutzen gleich mehrere Palmenblätter, dazu Bast und Rinde nebst komplizierten Verknüpfungen, und bringen es so auf eine Köcherlänge bis zu einem halben Meter.
    Auch bei den Frauen ist die Länge der Kleidung der entscheidende Unterschied: Bei den Kleinen Nambas trägt man einen kurzen Rock aus Raffiabast um die Hüfte, ähnlich dem klassischen Hula-Kostüm von Hawaii. Bei den Großen hingegen wird der Faserrock nicht um die Taille gebunden, sondern um die Stirn, wie eine Haube; er ist entsprechend länger und reicht bis unter die Hüfte. Es ist wichtiger, vor Fremden das Gesicht zu verbergen als den Rest der Körpers — die Faserhaube in der Öffentlichkeit abzunehmen, wäre ein arger Tabuverstoß und brächte Unglück über das ganze Dorf.
    Auf Malekula, mit 2000 Quadratkilometern die zweitgrößte Insel Vanuatus, leben die Großen und die Kleinen Nambas auch heute noch auf engstem Raum nebeneinander — völlig unterschiedliche Sprachen und Traditionen oft nur durch ein Tal oder eine Hügelkette getrennt. Man findet sie allerdings nur im Inneren der Insel, im schwer zugänglichen Dickicht der Regenwald-Berge; an der Küste, wo mehr als drei Viertel der Bevölkerung leben, geht man angezogen.
    Ganz klar, dass wir zu den Großen Nambas wollten, allein schon im Interesse der Bildberichterstattung, denn so was sieht man ja nicht mal bei Lilo Wanders. Aber Ralph Regenvanu riet uns davon ab: Amokh, die »Hauptstadt« der Big Nambas im Norden Malekulas, sei in den letzten Jahrzehnten arg geschrumpft, von ehemals mehreren hundert Bewohnern auf ein knappes Dutzend heute. Zwar residiert dort immer noch der Meleun, der oberste Bigman aller Großen Nambas — im Unterschied zu den anderen Dorfgemeinschaften Vanuatus, die ihre Anführer wählen, gibt es hier eine Art Erbkönigtum —, aber der Große Alte namens Vi-rambat sei schwierig und unverschämt: Jedes Foto kostet 1000 Vatu, also etwa 20 Mark, bei Gruppenbildern wird pro Namba kassiert, Frauen die Hälfte, der Bigman das dreifache, und mit der großen Videokamera das Ganze zum Quadrat. Das könnte sich der WDR zwar gerade noch leisten, doch Wolpers meinte mit Blick auf mich, EIN geldgeiler Greis pro Reise wäre eigentlich genug.
    Ein zweites Argument Ralphs gab den Ausschlag: Die Fahrt nach Amokh sei lang und beschwerlich, eine vorherige Verabredung mit Wirambat aber mangels Telefon oder Funk unmöglich; er könne sich gerade im Busch aufhalten oder in einem Nachbardorf, und dann würden wir ihn niemals finden, denn es ist tabu, Fremden den Aufenthaltsort des Chefs zu verraten, ohne diesen vorher um Erlaubnis zu fragen... und das kann man nicht, denn er ist ja nicht da.
    Also entschieden wir uns für die Kleinen Nambas, was aber auch nicht so einfach war, denn diese mussten sich erst mal für uns entscheiden. Auf Tanna, im Dorf der Yaohnanen, die sich ebenfalls zu den Kleinen Nambas zählen, war das kein Problem gewesen. Die Tabus sind dort locker, die Menschen zugänglich und Chef Naiva welterfahren — immerhin waren wir schon die zweiten Deutschen in den letzten zehn Jahren. Anders im wilden Malekula. Zwar gibt es dort ziemlich viele Namba-Dörfer, meist Großfamilien von 20 bis 30 Menschen, aber sie legen Wert auf Tradition und Tabu; Fremde sind nur selten willkommen, Fernsehkameras gar nicht. Manche lassen nicht mal den Arzt ins Dorf, weil es Krankheit in ihren Augen gar nicht gibt: Wer krank ist oder einen Unfall hat, wurde unweigerlich verhext, da können nur Geister helfen; und wer alt ist, muss ohnehin sterben, da sind auch die Geister machtlos.
    Mit leuchtenden Augen verkündete Wolpers, das ideale Dorf gefunden zu haben, gar nicht so weit von der Küste entfernt. Als ich den Namen hörte, kriegte ich Herzkrämpfe: »Custom Village«, das »Brauchtums-Dorf« — ein Name, der meilenweit nach Freizeitindianern und

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