Feuersteins Reisen
und deutsche Waffenhändler unbehindert durch Zoll und Passkontrolle marschierten und uns lange Nasen drehten, wurden wir an einen Sonderschalter dirigiert. Unsere Kisten mit High-Tech-Kram interessierten niemanden, da hätten wir auch ein paar Plutoniumbomben mitbringen können — es ging ausschließlich um die Kassetten. Der Hinweis, sie wären alle leer, da unsere Arbeit ja noch gar nicht begonnen habe, erntete bei den Beamten den gleichen müden Blick wie bei unseren Verkehrspolizisten, wenn man bei der nächtlichen Führerscheinkontrolle schwört, man habe den ganzen Abend nichts getrunken. Es ist nun mal Vorschrift, ALLE Kassetten zu inspizieren, egal ob leer, voll oder kaputt, also her damit.
Zum Glück verfügt der Zoll von Dubai über hochmoderne Abspielgeräte jeglicher Norm, natürlich auch für die professionellen Halbzoll-Beta-Kassetten — man ist seinem Ruf als reichstes Land der Welt ja auch was schuldig. Aber 5o Kassetten bedeuten nun mal 25 Stunden Abspielzeit, im Schnelldurchlauf immer noch zehn, und da gab’s nur eins: Die Bänder bleiben zur Überprüfung beim Zoll. Morgen oder übermorgen könnten wir sie abholen.
Da man uns wenigstens jene eine Kassette ließ, die in der Kamera war, gab es keine Verzögerung bei der Arbeit, und tatsächlich erhielten wir die anderen 49 schon am nächsten Tag ausgehändigt — das erste und letzte Mal, dass hier etwas zuverlässig funktionierte. Die Originalverpackungen waren aufgebrochen, jemand hatte sie wirklich alle angesehen: 25 Stunden leeres Bild... na ja, immer noch besser als eine halbe Stunde Musikantenstadl.
Ich kam ins Grübeln: Warum diese fast hysterische Angst vor Pornografie in den islamischen Ländern? Gewiss, Sexängste und Verklemmungen haben auch wir zur Genüge. Aber warum wird der Schweinekram dort als geradezu staatsbedrohend empfunden und mit Mitteln abgewehrt, die man sonst nur gegen Terror oder Rauschgiftschmuggel einsetzt? Ist Sex wirklich das größte Problem der Mullahs? Oder ist es gar keine Angst, sondern eine Obsession? Schließlich ist die arabische Erzählkunst prallvoll von schwüler Erotik, und auch der Koran verheißt jedem Heiligen Krieger im Paradies unzählige Jungfrauen, die nur darauf warten, mit ihm alle die Sachen zu treiben, nach denen die Zöllner so besessen in den Videos suchen. Da kann doch eine kleine Vorschau nicht schaden?
Kann natürlich sein, dass die Sittenwächter aus eigenem Bedürfnis handeln. Damit sie wenigstens auf diese Weise einen Blick ins Paradies werfen können, weil sie befürchten, selber niemals reinzukommen. Schade, dass wir sie so enttäuscht haben. Denn bei uns haben sie nicht das erwartete Paradies gesehen, sondern das Nirwana, mit 25 Stunden Leerkassetten. Aber wie gesagt: Immer noch besser als eine halbe Stunde Musikantenstadl.
Sie waren eindrucksvolle Gestalten, die Herren Araber von Zoll und Grenzpolizei auf dem Flughafen von Dubai, so ganz anders als die Business-Scheichs, die in variabler Stärke, je nach Festigkeit des Petro-Dollars, unsere Luxushotels bevölkern; oder ihre Billig-Ausgabe in Südostasien, die als Sextouristen mit glühenden Augen und sichtbaren Schuldgefühlen durch die Pforten thailändischer Schmuddelbars schlüpfen... und fragen Sie jetzt bitte ja nicht, was ICH dort zu suchen habe. Mit ihren weißen, eleganten Gewändern, dem wallenden Kopftuch, den scharfgeschnittenen Gesichtern mit sorgsam gepflegten Bärten strahlten sie Würde, Stolz und Unbestechlichkeit aus, und auch ein bisschen überlegene Arroganz. Aber Letzteres haben alle Grenzschützer an sich, gerade auch die unseren. Ich war gespannt darauf, die Söhne der Wüste in den nächsten Tagen näher und besser kennen zu lernen — man hört ja so viel von der Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Araber. Ich hatte ja noch keine Ahnung, dass sie so ziemlich die Letzten sein würden, die wir in den Emiraten zu Gesicht bekämen. Denn Araber sind hier was ganz, ganz Rares.
Von den 2,5 Millionen Bewohnern der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind über 70 Prozent Ausländer, die aber nichts zu sagen haben. Nur etwa 600 000 sind richtige VAE-Staatsbürger, davon knapp 200 000 erwachsene Männer, die aber auch nichts zu sagen haben, weil es keine Wahlen gibt. Damit sie gar nicht auf die Idee kommen, was sagen zu wollen, werden sie von den wenigen, die was zu sagen haben, verwöhnt wie kaum sonstwo in der Welt. Da die Emirate — noch — buchstäblich auf Öl schwimmen, kann man es sich leisten: Keine
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