Feuersteins Reisen
Strahlgebläse zu Nadelspitzen werden lässt und gegen die Haut jagt. Man zieht sich dann schnell wieder zurück.
Ich bestieg aber keinen Grat, von dem man wieder abtauchen konnte, ich saß oben drauf. Mit einer dämlichen Landkarte, die sich vor dem Wind wie ein Segel blähte und die ich mit beiden Händen festhalten musste, damit sie nicht wegflog. Unter Beschuss von Millionen Sandkörnern. Bei 50 Grad im Schatten.
Nun werden sicher viele sagen, ich würde wieder mal maßlos übertreiben. Und das stimmt. Ich habe übertrieben. Im Schatten waren es höchstens 45 Grad. Aber es gab keinen Schatten. Also waren es wahrscheinlich 60 Grad. Oder 7 5. Schlimmer noch: Die Düne stand nicht still. Der Wind, der ständig an der Oberkante nagte, schliff sie ab, der Sand war ständig in Bewegung, wehte, rieselte, stach. Während ein Teil der Landkarte verschüttet wurde, entstand gleichzeitig, auf der gegenüberliegenden Seite, ein Hohlraum unter ihr, so dass sie sich aufblähte und wild zu flattern begann. Es wurde immer schwerer, sie festzuhalten.
Die Füße, die ich tief im Boden verhakte, um nicht den Halt zu verlieren, waren im Nu wieder freigeweht. Wie Gewehrkugeln prasselten die Sandkörner in mein Gesicht und drangen in jede Körperöffnung. Alle paar Minuten spuckte ich ein Maulvoll Sand aus und in meinen Ohren staute sich genug Sand, um darin Kakteen zu züchten. Vom nächsten Tag an verstand ich auch das seltsame Knirschen, das man in allen öffentlichen Toiletten Arabiens aus den Nachbarkabinen hört: Sand im Stuhl.
Wie schön war es doch damals in Alaska gewesen, als ich auf dem Gletschereis den Hubschrauber erwartet hatte — so ruhig, so friedlich, so kühl, und wenn ich durstig war, brauchte ich bloß den Boden zu lecken. Oder viel schöner noch in Vanuatu, als der Hubschrauber überhaupt nicht kam. Aber das waren sinnlose Träume, denn vor mir lag die Wirklichkeit: der Hitzetod in der Wüste, von Sandkugeln beschossen, mit verdampfendem Hirn, auf einer Wanderdüne, die bestimmt viel schneller wanderte, als man angenommen hatte, weshalb ich vom Hubschrauber und meinem Team gar nicht mehr zu finden war. Wahrscheinlich war ich längst in Saudi-Arabien...
Mehr als zwei Stunden hockte ich wie Münchhausen auf der Kanonenkugel und weiß bis heute nicht, wie ich das überlebte. Wolpers erzählte mir hinterher ein Märchen von Betankungsproblemen; angeblich hätte der Hubschrauber zu wenig Treibstoff gehabt, mit dem Umfüllen auf dem Landeplatz hätte es Probleme gegeben... was für ein Quatsch! Wo wir doch in den Emiraten waren, buchstäblich schwimmend auf dem Öl! Wo man nur ein Loch in den Sand graben muss, und schon kann man tanken!
Beim Überflug sah ich Wolpers’ lachendes Gesicht im Hubschrauberfenster. Ich hätte alles in der Welt für eine SAM-Rakete gegeben.
Das Geisterland
Ich hatte diese Folge »Arabien« genannt, und das war natürlich genauso vermessen wie alle anderen Titel. Denn wie will man in knappen 45 Minuten ein Land darstellen, und sei es nur Liechtenstein. Mit seinen zweieinhalb Millionen Quadratkilometern ist die arabische Halbinsel doch etwas größer als Liechtenstein; sie umfasst ein gutes Dutzend Länder und Scheichtümer, von denen wir gerade mal Oman und drei Emirate besuchten, lächerliche vierzehn Tage lang. Wie kann man da so frech sein, das Ergebnis »Arabien« zu betiteln?
Dumme Frage. Erstens kann jeder so frech sein wie er will. Zweitens: Verlogen, wie das Fernsehen ist, warum soll gerade ICH eine Ausnahme machen, hm? Und drittens heißt der Titel ja nicht »Feuerstein erzählt alles, was es gibt, über Arabien«, sondern schlicht und einfach »Feuerstein in Arabien«. Und IN Arabien war ich ja, Punkt.
Um als Filmteam nach Arabien hineinzukommen, muss man eine Keuschheitsschleuse passieren, da jeder aus unserer Zunft bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich als Pornohändler gilt. Die Begründung leuchtet ein: Wer Dutzende Filmrollen oder Videokassetten im Gepäck mit sich schleppt, MUSS einfach Pornos darunter haben, denn so viel anständige Filme gibt es gar nicht auf der Welt. Da ist was dran.
Unsere Eintrittspforte war Dubai, die derzeit wohl toleranteste und freizügigste Stadt Allahs, die Beirut den Rang als Sündenbabel längst abgelaufen hat. Nirgendwo sonst in Arabien geht es so locker zu, Alkohol ist überall erhältlich, es gibt Bars und Discos. Aber die Pornoschleuse war streng und unerbittlich. Während afghanische Hisbollah-Kämpfer, russische Nutten
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