Feuersteins Reisen
Steuern, Wohnung, Strom und Wasser kostenlos, dazu Gratis-Gesundheitsfürsorge, Kindergeld, Muttergeld, Witwengeld, und wer als Frau mit 40 noch nicht verheiratet ist, kriegt Staatsrente. Wozu also Wahlen — was sollte man denn noch verlangen? Kostenloses Begräbnis? Gibt’s auch schon.
Die sieben Vereinigten Emirate mögen vereinigt sein, sind aber in Größe und Landschaft grundverschieden; auch der Ölreichtum ist recht unterschiedlich verteilt. Abu Dhabi ist der reiche Riese mit 70000 Quadratkilometern — das sind fast 90 Prozent der gesamten Fläche der Emirate — , gefolgt vom kleinen, aber nicht weniger reichen Dubai. Dessen Erzrivale, das strengläubige, stille Sharjah, einst als Piratennest verschrien, kommt an dritter Stelle. Schlusslicht ist Adshman, der Zwerg, mit gerade mal 10 000 Einwohnern auf 25o Quadratkilometern. Dazwischen die beiden Gemüsegärten der Emirate, Umm al-Kaiwan und Ras al-Kaiwan mit Oasen statt Öl, sowie Fusheria, das bergige Landschaftsparadies am Golf von Oman.
Eigentlich haben die Emirate gar keine andere Wahl als vereinigt zu sein, denn sie sind auf engstem Raum so sehr ineinander verschachtelt, mit zahlreichen, oft weit voneinander entfernten Enklaven, dass die Alternative einen immerwährenden Konflikt bedeutete — so war es auch in der Vergangenheit. Diese Konflikte gibt es natürlich auch heute noch, aber sie werden nicht mehr mit Waffen ausgetragen, sondern mit Geld, Intrigen und unterschiedlicher Weltanschauung.
Ein typisches, fast tragikomisches Beispiel liefert der Konkurrenzkampf zwischen Sharjah und Dubai im letzten Jahrzehnt. Als man nämlich in Sharjah erkannte, dass die Ölvorräte langsam zur Neige gehen, begann man auch hier auf den Tourismus zu setzen, baute Luxushotels und einen riesigen Weltflughafen — und verschuldete sich bis über das Kopftuch. Da man zu stolz war, den Rivalen Dubai anzupumpen, bat man den mächtigen Nachbarn Saudi-Arabien um Hilfe. Die Bruderbitte wurde auch erfüllt, aber nur unter der Bedingung, dass sich Sharjah wieder auf die Gebote des Propheten besinnen und ein striktes Alkoholverbot erlassen musste — was alle mühsam angelockten Touristen sofort nach Dubai vertrieb. Heute ist Dubai reicher denn je, Sharjah aber nur noch fromm, mit leeren Hotels und einem verlassenen Weltflughafen nur 20 Kilometer neben jenem von Dubai.
Wer regiert nun dieses Schlaraffenland? Die wahre Macht liegt in den Händen jener, die wir aus dem Kreuzworträtsel als »Scheich mit vier Buchstaben« kennen: den Emiren, den Stammesfürsten, die einst gewählt wurden, heute aber weitgehend durch Vererbung ihren Machtanspruch ausüben. Zwei davon sind die Supermächtigen, die das endgültige Sagen haben, in allen Bereichen und ohne Widerspruch: Sayed und Maktoum, die Scheichs von Abu Dhabi und Dubai. Diese beiden sieht man auch täglich im Fernsehen, während der Rest der Emirats-Araber unsichtbar bleibt, in den Städten jedenfalls.
Was sollten sie auch in der Öffentlichkeit, wenn es für jeden Einheimischen drei Gastarbeiter gibt? Die Dauerlächler aus Thailand, Sri Lanka und den Philippinen als devote Diener in Haus und Hotel, die tüchtigen Inder und Pakistani für Einzelhandel, Güterverkehr und Taxis, die Billigstarbeiter aus Bangladesh für das Grobe, die ägyptischen und palästinensischen Sprachbrüder für die öffentliche Verwaltung und die Krawattenriege der europäisch-amerikanischen No-tebook-Generation für das mittlere Management.
Der prägende Eindruck: ein Geisterland, in dem Gastarbeiter und Touristen ganz unter sich sind.
Araber, verzweifelt gesucht
Unser Aufnahmeleiter vor Ort war Nicholas Meyer, genannt Nick, ein Deutscher im Dienste des Touristenbüros von Dubai, der in Rede und Aussehen der Zwillingsbruder von Manfred Krug sein könnte, in seinem Wesen aber zum Glück viel umgänglicher war: kumpelhaft, ohne sich anzubiedern, und recht locker.
Das Letztere ist hier für Gastarbeiter gar nicht so einfach. Sie verdienen zwar das Vielfache von dem zu Hause, sind aber recht- und schutzlos: Wenn dem Dienstherrn was nicht passt, dann raus aus dem Land, und zwar jetzt... davon können unsere Innenminister nur träumen. Das führt natürlich zu großer Verunsicherung und verbiegt die Haltung. Nun neigen Gastarbeiter überall in der Welt zu Angst, Verkrampftheit und vorauseilendem Gehorsam, in den Emiraten scheint dies aber fast schon ein Teil des Arbeitsvertrags zu sein.
Egal ob verkrampft oder locker — im Umgang mit
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