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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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verständlich ist, im Schriftfeld aber unsichtbar wird, es sei denn, man schriebe gleich am Anfang statt Fußweg »Phusweg«, was aber noch plumper, ja, geradezu hol z hammermäßig wirkt. Also gehört die wacklige Metapher gestrichen. Ich lasse sie aber trotzdem stehen, einmal als abschreckendes Beispiel, und zum zweiten als Beweis für die Qualen, die man erleidet, wenn man wie ich vom Kalauervirus befallen ist, und zwar unheilbar. Sisyphusqualen, gewissermaßen.)
    Meine Qual, bei 45 Grad Hitze eine Sanddüne hinaufzuwaten, wurde nur durch den Anblick der drei anderen Sisyphoiden gemildert, da diese noch wesentlich stärker litten. (Schon wieder ein Problem: Wie lautet der Plural von Sisyphus? Der Kalauervirus flüstert: »Sisyfüße.« Aber das klingt wie die unteren Extremitäten einer österreichischen Kaiserin, also entschließe ich mich »Sisyphoiden«, was zwar ebenfalls erfunden ist, aber sich doch viel klassischer anhört, wie eine Hit-Serie von Aischylos oder Euripides.) Während ich nur eine Tube Sonnencreme zu tragen hatte, schleppte mein Team gewaltige Lasten: Stephan den Kamerakram, Erik die Tonkisten und Wolpers den Landkartenrahmen, dessen Einzelteile in einer sperrigen, meterlangen Riesentasche steckten. Wie Wolpers da hochkrabbelte, mit diesem riesigen schwarzen Balken auf dem Rücken, wirkte er wie ein größenwahnsinniger Mistkäfer, der sich für Jesus hält und statt des ihm zustehenden Kotballens ein Kreuz auf den Ölberg schleppt.
    Oben bauten wir für die Naheinstellungen auf, und ich lieferte meinen Begrüßungsaufsager ab. Es war ein ziemlich sinnloser Text, in dem Schneewittchen und die sieben Zwerge sowie die Deutsche Bank vorkamen und dem Wolpers zu Recht widersprach. Aber wenn Wolpers widerspricht, erhält selbst das Sinnloseste für mich Sinn, und ich bestand darauf, kein Wort zu verändern — weshalb ich mir heute, wann immer ich den Arabien-Film sehe, an dieser Stelle die Ohren zuhalten muss.
    Dann ließ man mich da oben allein. Denn als Nächstes würde die große Totale folgen, die Einstellung aus dem Hubschrauber mit der endlosen Wüste und Feuerstein als Punkt im Nichts. Bei großen Produktionen würde längst so ein Knattervogel über uns kreisen, mit der »Second Unit« an Bord, dem zweiten Team. Aber wenn man nur einen einzigen Kameramann hat, mit einer einzigen Kamera, muss man erst mal »umsetzen«, wie das im Filmjargon so schön heißt: Stephan und die Geräte zum Hubschrauber verfrachten, dort alles montieren und dann losfliegen. Dazwischen hieß es warten.
    Es würde rasend schnell gehen, hatte Wolpers versprochen. Der Hubschrauber war bereits in der Luft, per Handy gab es Kontakt mit ihm. Hier in der Wüste konnte er natürlich nicht landen, das war klar, denn das würde zu viel Sand aufwirbeln und die Filter verstopfen — daran waren ja auch damals die Marines gescheitert, die die amerikanischen Geiseln im Iran befreien wollten. Also sollte er auf dem Seitenstreifen der benachbarten Autobahn runtergehen; dort würde man sich treffen und umladen.
    Rund um mich herum, im Radius von gut drei Kilometern, verhängte Wolpers eine Art Kriegsrecht, einen Sperrbezirk samt Ausgehverbot, die totale Quarantäne. Damit wollte er verhindern, dass irgendjemand durchs Bild laufen würde, wenn der teure Hubschrauber im Einsatz war, und wir dann alles wiederholen müssten, denn jede Flugminute kostet tierisch viel Geld. Damit verhinderte er aber auch, dass irgendeine menschliche Seele in meiner Nähe war. Gar nicht zu reden von einer Flasche Wasser. Aber wer denkt schon an so was Ausgefallenes wie die Notwendigkeit von Wasser in der Wüste. Doch nicht Wolpers.
    In fünfzehn Minuten würde der Hubschrauber über mir kreisen, waren die letzten Worte von Wolpers gewesen, bevor er den Rutschweg nach unten antrat. Natürlich würden es mindestens dreißig sein, das war mir absolut klar, aber unter normalen Umständen hätte mir das nichts ausgemacht. Denn ich bin überaus geduldig, wenn es sein muss. Ich versenke mich dann tief in mich selbst. Auch wenn ich mich nicht sonderlich mag, ist das durchaus erträglich, weil ich mich niemals langweile, wenn ich mit mir allein bin — im Unterschied zu allen anderen Leuten, die ich nicht mag. Aber es herrschten keine normalen Umstände.
    Wer schon mal eine Wüstendüne von der Lee-Seite her bestiegen hat, weiß es: Am Grat angelangt, faucht einem plötzlich, von der Sonnenthermik angefacht, ein glühheißer Wind entgegen, der den Sand wie ein

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