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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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brüllten dann: »Eins — zwei — drei — WOLPERS!«, als Zeichen für die Regie, ein Band einzuspielen, das zeigte, wie Schmidt und ich Wolpers zu Tode prügeln.
    Das Drehen dieser Szene bereitete mir viel Freude, brachte uns aber gleichzeitig den einzigen Zensur-Fall in der »Schmidteinander«-Geschichte ein. In der ersten Version hatten wir nämlich auf Wolpers mit Baseball-Schlägern eingedroschen, doch erhob Axel Beyer, der damalige Unterhaltungschef im WDR, Einspruch: Baseball-Schläger seien die Waffen der Neonazis, das könne man leicht missverstehen und würde uns politischen Arger einbringen. Also drehten wir die Szene ein zweites Mal; diesmal wurde Wolpers nicht mehr faschistisch geprügelt, sondern grün-liberal, mit Fäusten und Fußtritten.
    Als uns das Totschläger-Band mit der Zeit zu langweilen begann, verschärften wir es: Wir erschossen Wolpers mit Maschinenpistolen oder ließen ihn mit einer Straßenwalze überrollen — mit seinem Vater am Steuer, wie wir behaupteten. Schließlich war es so weit, dass sich Wolpers bei den Sendungen nicht mehr dem Saalpublikum zeigen durfte, weil dann sofort ein paar Zuschauer »Eins — zwei — drei — WOLPERS!« schrien und ihn totschlagen wollten. Bündelweise kamen Briefe von Einzelpersonen und Vereinen, die uns baten, Wolpers zum Verdreschen ausleihen zu dürfen. Gern auch gegen Bezahlung. Mit welch einfachen Mtteln man doch den Menschen Freude machen kann.
    Psychoterror ohne Publikum ist Energieverschwendung. Man braucht wenigstens ein Team als Zeuge. Kein allzu großes Team, denn dann stört der Terror die Arbeit, da sich rasch Gruppen und Parteien bilden und jeder meint, er dürfe das auch. Bei größeren Produktionen habe ich Wolpers daher immer nur auf dezente Art gequält. Indem ich ihm zum Beispiel das Wetter vorwerfe (»Wieso haben wir das nicht GESTERN gedreht? Da war es trocken!«) oder den Geiz des Senders (»Wieso haben WIR keinen Kran/Rolls Royce/Hubschrauber/Flugzeugträger? Wo doch ALLE ANDEREN so was haben!?«) oder meinen privaten Zustand (»Wieso bin ICH heute so schlecht gelaunt?«). Und das Erstaunliche dabei: Wolpers fühlt sich jedesmal schuldig.
    Nirgendwo gab es aber so ideale Voraussetzungen für den hemmungslosen, totalen Terror wie bei unseren Reisesendungen. Denn da waren wir genau in der richtigen Besetzung: ein Terrorist, ein Opfer, dazu Stephan und Erik als Zuschauer, Zeugen und Richter. Manchmal auch als eine Art Blauhelme: Im Wesen machtlos und als Geisel missbrauchbar, aber trotzdem allein durch ihre Anwesenheit imstande, das Schlimmste zu verhindern: einen langweiligen Frieden.
    Natürlich darf man seelischen Terror niemals als solchen wahrnehmen, sonst verkommt er zur billigen Hysterie. Deshalb muss er beim Opfer immer auf ein echtes Stück Schuld treffen — und diese ins Maßlose steigern.
    Nehmen wir das Beispiel »Tee«. Ich bin Teetrinker und habe Entzugserscheinungen, wenn ich einen Tag lang keinen kriege. In diesem Sinne war meine Dauerfrage »Wieso haben wir keinen Tee?« durchaus berechtigt, wenngleich in den Gletschern von Alaska oder im Ruder-Einbaum nachts, zwischen zwei Südsee-Inseln, nicht unbedingt logisch. Sie hatte aber zur Folge, dass seither in dem Dutzend Ausrüstungskisten unseres Teams immer eine Thermosflasche und ein Komplett-Sortiment Teebeutel enthalten ist. Ein gewöhnlicher Terrorist wäre damit zufrieden. Doch mein Psychoterror begann jetzt erst richtig. Denn ab sofort gab es zwar keine Dauerfrage mehr: »Wieso haben wir keinen Tee?«, dafür aber eine neue mit tausend Varianten: »Wieso ist der Tee so heiß/kalt/lauwarm?« Oder die aktuellste, im chlorreichen Amerika: »Wieso haben wir kein vernünftiges Teewasser mit?«
    Als Produzent ist Wolpers für alles verantwortlich. Natürlich auch für das Hotelzimmer, und dort wiederum dafür, dass meine Minibar gefüllt und zugänglich ist. Gefüllte, aber verschlossene Minibars — so stelle ich mir die Hölle vor. Und so kam es, dass ich im mexikanischen La Paz (an der Baja California gelegen und nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Hauptstadt von Bolivien) meinen Koffer nahm und — natürlich vor den Augen von Wolpers — wütend das Hotel verließ, weil bereits fünfzehn Minuten seit unserer Ankunft vergangen waren, ohne dass ich ans Mineralwasser der versperrten Minibar rankommen konnte.
    Wolpers lief mir nach, besorgt um Produktion und Drehtag, und ergriff sogar meinen Koffer, um ihn in ein anderes, besseres Hotel zu schleppen. Ich

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