Feuersteins Reisen
für Disziplin und Professionalität. Das ertrage ich allerdings höchstens eine Woche. Dann brauche ich ein Opfer.
Wichtig ist: Das Opfer muss im wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, denn sonst könnte es jederzeit »Leck mich am Arsch« sagen und abhauen. Gleichzeitig darf es auf gar keinen Fall unterlegen sein, das wäre unsportlich und klein. Oder, wie die Sprachschöpfer unserer Tage sagen würden: Psychoterror gegen Regieassistenten und Kabelhilfen ist mega-out.
In meiner Journalistenzeit hatte ich mir als Opfer immer den Verleger gegriffen, zuletzt, bei der Zeitschrift MAD, Klaus Recht. Der war selber ein Meister dieses Fachs, wurde aber durch sein bayrisches Raufbold-Gen daran gehindert, so subtil und raffiniert wie ich zu sein. Mein größter Terror-Erfolg über ihn war es, als er einen Steinway-Flügel kaufte und ständig darauf elend klimperte. Systematisch verdarb ich ihm die Freude daran, indem ich ihm bei jeder Gelegenheit zeigte, um wie viel besser ich Klavier spielen kann. Das machte ihn schwer depressiv, aber ich tröstete ihn heuchlerisch und redete ihm ein, er solle den Flügel gegen eine Synthi-Orgel eintauschen, denn mit Hilfe der Elektronik könne er seine mangelnde Fingerfertigkeit gewiss prima ausgleichen. Das tat er — worauf ich ihm bewies, dass ich auch bei der Orgel turmhoch überlegen war. Darüber geriet er so in Frust, dass er die prächtige Orgel, die ihn gut 25 000 Mark gekostet hatte, per Spedition vor meine Haustür stellen ließ. Ich habe und liebe sie heute noch. Die Zeitschrift hingegen ist nach meinem Ausscheiden natürlich eingegangen.
Heute wäre das ideale Opfer für meinen Seelenterror ein Medienboss, aber an diese Typen kommt man nicht so leicht ran. Vor vielen Jahren, als Radio Luxemburg noch Radio war, ohne T zwischen dem R und dem L, hatte ich es mal bei Helmut Thoma versucht, scheiterte aber, da er als Mit-Österreicher ebenfalls mit dem Terror-Gen ausgestattet ist. Er durchschaute sofort meine Pläne und blockte jede Annäherung ab. Heute gehört Dr. Thoma zu den Spitzenkönnern auf diesem Gebiet; zusammen mit dem libyischen Präsidenten Ghaddafi zählt er zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den nächsten Psychoterror-Nobelpreis.
Bei WDR-Intendant Fritz Pleitgen habe ich es zunächst mit als Programmvorschläge getarnten Drohbriefen versucht, die er aber routiniert durch Gegendrohungen entschärfte. Später dachte ich, ihn fest in der Hand zu haben, als es mir trickreich gelang, ihn zu einer Ordensverleihung an Dolly Buster zu überreden. Leider hatte der Orden nur eine Fläche von einem halben Quadratmeter und war damit viel zu klein: Spurlos verschwand er im tiefen Tal der Superbrüste und ging damit als Beweismittel verloren, um Pleitgen zu erpressen. Immerhin schaffte ich es, zwei Jahre später in der Millenniumsnacht unter dem Vorwand einer Fernsehsendung vorübergehend sein Büro zu besetzen. Als ich es um sechs Uhr morgens wieder räumte, hatte ich dort etwas versteckt, mit dem ich ihn eines Tages unter Druck setzen werde... mehr sage ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht dazu. Mal sehen, ob er es bis zum zweiten Teil dieses Buches gefunden hat.
Bliebe noch Fred Kogel, aber da wäre jeder Versuch sinnlos. Denn der ist seit Jahren vertraglich an den Exklusivterror von Harald Schmidt gebunden.
Also blieb mir nur mein Produzent Wolpers. Von seinem Vornamen Godehard darf man sich nicht täuschen lassen: Er ist weder ein von Hermann, dem Cherusker, im Teutoburger Wald ausgesetzter Recke noch ein frommer Einsiedler, der in seiner Katakombe das Nasenbein Petri bewacht. Eher ist er der Tod in Dürers Holzschnitt der »Apokalyptischen Reiter«. Vor allem, wenn er lacht. Wenn er läuft, sieht er aus wie eine kranke Grille.
Ich habe Wolpers in den Anfangszeiten von »Schmidteinander« kennen gelernt, als er beim WDR ein Volontariat durchlief. Da er alle schlechten und niedrigen Eigenschaften hatte, um später einmal Intendant zu werden, beschloss ich schon frühzeitig, ihn zum Opfer auszubilden — eine Schulung, die im Prinzip ähnlich ist wie in Fort Bragg, wo die Elitetruppen der amerikanischen Marines auf den Dschungelkrieg vorbereitet werden. Bei mir natürlich wesentlich härter.
Da Wolpers bei »Schmidteinander« recht vielseitig arbeitete, hatte er entsprechend viel Verantwortung zu tragen. Mit anderen Worten: Wenn was schief ging, war es allein seine Schuld. Bei jeder Panne fragten wir daher vor laufender Kamera: »Wer ist schuld?« und
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