Feuersturm: Roman (German Edition)
ob irgendwas fehlt.«
Anya kniff sich in den Nasenrücken. »Lassen Sie mich raten …«
»Richtig. Herauszufinden, was fortgekommen ist, ist Ihre Aufgabe. Sie haben Bilder vom Tatort geschossen, ehe sich jemand hier zu schaffen gemacht hat.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich Zeit gehabt hätte, umfassend Inventur zu machen …«
»Tja, herzlichen Glückwunsch. Das ist jetzt Ihr Baby.«
Anya ließ die Schultern sinken und trottete an Marsh vorbei durch die Küchentür.
Das war kein hübsches Baby.
Die Küche war vollständig durchwühlt worden. Kartons mit Frühstücksflocken waren aus den Regalen gerissen worden und hatten Puffreis ausgespuckt, der nun unter ihren Füßen knirschte. Der Küchentisch war umgekippt, ein Bein abgebrochen. Töpfe und Pfannen lagen auf dem Boden, vermischt mit Zeitungen und den Inhalten des Kühlschranks. Die Kühlschranktür stand offen, das Licht im Inneren brannte. Jemand hatte die Deckel von Dutzenden von Plastikgefäßen gerissen und deren Inhalt einfach ausgekippt. Eine Flasche Ketchup hatte sich über den Boden ergossen. Anya roch Reste von Kung-Pao-Hühnchen, vermengt mit dem widerlich säuerlichen Geruch schmelzenden Speiseeises. Sie schlang sich die Jacke enger um den Leib, um sich vor der Kälte zu schützen.
Wieso zum Teufel hatte der Feuerwehrmann draußen nicht gehört, was hier los war, und dem ein Ende gesetzt?, überlegte sie. Das muss ein Lärm gewesen sein wie bei einer Verbindungshausparty.
Widerwillig drückte sie die Tür zum Wohnzimmer halb auf. Unglaublicherweise war das Chaos in Bernies Wohnzimmer noch größer als vorher. Die Couch war umgestoßen worden, die Füllung aus den Polstern gerissen. Bücherregale waren auseinandergebrochen, und ihr Inhalt verteilte sich über die schwarzen Scherben zerbrochener Vinyl-LPs. Die Asche aus dem Kamin war nun über den Teppich verteilt, dick genug, dass sie den Fleck, der einmal Bernie gewesen war, beinahe überdeckte.
Anya kniff die Augen zusammen. Das war kein Zufall. Hier hatte sich nicht etwa ein Einbrecher eine günstige Gelegenheit zunutze gemacht. Nein, hier hatte jemand nach etwas ganz Bestimmtem gesucht.
Ihr Blick fiel auf den Kaminsims. Er war abgeräumt worden: keine Flaschen, kein Schwert, keine Talismane. Sie atmete tief durch. Trotz des ganzen Chaos war eine Veränderung unverkennbar: Sie konnte keine Magie mehr riechen. Absolut keine.
Sie streifte mit bebenden Nasenflügeln durch den Raum. Keiner der Gegenstände, die sie als magisch eingestuft hatte, schien noch da zu sein. Alles, was sie wahrnahm, war ein hintergründiger, vager Ozongeruch, wie sie ihn schon bei ihrem ersten Besuch in diesem Haus gerochen hatte.
Den Blick auf den Kamin gerichtet, trommelte Anya mit den Fingern auf ihrer Unterlippe. Jemand hatte in der Asche herumgewühlt. Vielleicht jemand, der hinter den Fragmenten der magiebefleckten Drusenflasche her gewesen war, die sie dort gefunden hatte. Zumindest die lag sicher verpackt im Beweismittelschrank. Sie hoffte, die Forensiker würden ein paar Fingerabdrücke von ihr nehmen können.
Sie ging in ihren eigenen Spuren zurück, sorgsam darauf bedacht, nichts anzurühren. Sie würde ihre Kamera und den Rest ihrer Ausrüstung holen und vermutlich eine Ewigkeit damit zubringen müssen, die neuen Fotos mit denen zu vergleichen, die sie zuvor geschossen hatte. Die Analyse des Brandorts entwickelte sich zu einem wahren Albtraum.
Anya schlich durch die Küche und durch die Reihen gaffender Cops. Sie hörte, wie Marsh den wie gelähmt wirkenden Feuerwehrauszubildenden anknurrte, der hier hätte Wache halten sollen. Seine Stimme war leise genug, dass der Reporter auf der Straße ihn nicht hören konnte, aber sein Ton ließ von dem armen Kerl nur Wackelpudding übrig.
»… zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht? Sie haben den Tatort einer laufenden Untersuchung unbeaufsichtigt gelassen und damit für weitere Ermittlungen nahezu unbrauchbar gemacht. Morgen früh hab ich Ihre Marke auf meinem Schreibtisch, verstanden?«
Der Feuerwehrmann stand da, die Hände in die Taschen gerammt, und stierte zu Boden. »Ja, Sir. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich hab dem Haus nur ein paar Minuten den Rücken zugewandt.«
»Haben Sie geschlafen?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie getrunken?«
»Nein, Sir.«
»Drogen?«
»Nein, Sir.«
»Sie schieben jetzt Ihren Arsch rüber in die Ambulanz und lassen einen Drogentest machen. Sofort.«
Anya drückte sich an ihnen vorbei und blieb stehen. Ihre
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