Feuersuende
Flammen, das Zeichen seiner Macht, die ihn und seine Brüder wie mit einer Glocke umgaben und einen Schutzwall für sie bildeten, schlugen heraus. „Die Rede war von mir. Ich bin der Gott, der die Prüfung der zwölf Pforten bestanden hat. Und ich bin es, der wieder auf Erden wandeln wird.“
Unter den Umstehenden erhob sich ein lautes, vielstimmiges Gemurmel. Es war das erste Mal in Lokans Dasein, dass er erlebte, wie Sutekh Emotionen zeigte. Schrecken und Bestürzung zeichneten sich auf der Miene seines Vaters ab. Dann war es wieder die alte Durchtriebenheit, die in seinen Augen aufblitzte.
„Lokan Krayl“, erhob Sutekh seine Stimme über den Lärm des Gemurmels hinweg, „lass uns ein Bündnis schließen.“
„Es ist eine Wiedergutmachung zu leisten“, ließ sich Osiris vernehmen, als sich das darauf folgende laute Stimmengewirr allmählich legte. Er sah Lokan an und zeigte auf Sutekh. „Er hat unseren Pakt gebrochen, indem er gegen eine andere Gottheit vorgegangen ist. Er soll den Preis in Seelen bezahlen. Wähle.“
„Er war keine Gottheit, als ich das getan habe“, widersprach Sutekh. „Zu dem Zeitpunkt war er ein Teil meines Gefolges und damit mein Eigentum, mit dem ich verfahren kann, wie es mir beliebt.“
„Er war dein Sohn“, warf Malthus empört ein, während sich Alastor schon zu Wort meldete, indem er vortrat und die Hand hob. „Einspruch.“ Er hatte sich vollständig unter Kontrolle und wirkte kühl und sachlich. „Du, Sutekh, bist der Gott, der den Ablauf der Zeit beherrscht. Du warst es, der die Regel aufgestellt hat, dass Zeit in der Welt der Sterblichen und in den Reichen der Unterwelt ohne Bedeutung ist. Wenn du dich jetzt auf ein Davor und Danach berufst, widersprichst du dir selbst.“
„Wähle deine Seelen“, sagte Osiris zu Lokan.
„Meine Seelen? Was meinst du damit?“
„Dein Vater hat sich versündigt und muss deshalb Genugtuung leisten. Er muss für das büßen, was er getan hat. Das sind die Bestimmungen unseres Waffenstillstands. Wenn er sich gegen eine andere Gottheit wendet, kann das nicht ohne Folgen bleiben.“ Osiris zeigte ein müdes Lächeln. „Selbst gegen einen geringeren Gott, der seine Lektion erst noch lernen muss.“
„Ich bin demnach ein … Gott? Allerdings wohl einer mit wenig Macht und keinem eigenen Territorium?“ Lokans Frage zielte mehr darauf ab, Zeit zu gewinnen, während er sich im Stillen seine Chancen ausrechnete.
„Du hast ein eigenes Territorium, das des Lokan Krayl, in dem du bestanden hast, es ist das, was früher die Todeszone war. Dort kannst du dich jetzt niederlassen.“
Lokan erstarrte. Ein furchtbarer Gedanke durchzuckte ihn. Wenn er jetzt ein Gott der Unterwelt war, hieß das … „Bin ich dann hier in der Unterwelt gefangen wie …“ Wie ihr alle in der Unterwelt gefangen seid . Er schluckte den Rest des Satzes herunter. Vielleicht war es doch nicht so klug, so etwas zu fragen.
„Du bist der Gott, der wieder auf Erden wandelt“, sagte Isis.
Lokan hörte es wohl, und er hörte auch die Worte, die sie nicht ausgesprochen hatte. Er war der Einzige der Unterweltgötter, der das vermochte. Ja – Sutekh hatte es für eine kurze Frist auch geschafft, als er für die eine Nacht menschliche Gestalt angenommen hatte, in der er Lokan ermordete. Aber das hatte er nicht aufrechterhalten können, und selbst die kurze Frist hatte ihn unendlich lange Zeit gekostet, um die Energie dafür zu sammeln. So schnell würde er diese Vorstellung nicht wiederholen können.
„Du bist damit ein wichtiger Verbündeter für uns alle“, fügte Isis hinzu, die Meisterin des Understatements. Ein wichtiger Verbündeter? Er war einzig unter ihnen. Das war mehr als nur wichtig. „Ich für meinen Teil würde mich gern mit dir über ein Bündnis unterhalten, sobald du deine Wahl unter den Seelen deines Vaters getroffen hast, die dir als Entschädigung zustehen.“
Ein Bündnis mit Isis. Deren Töchter mit seinen Brüdern liiert waren.
Sein Kopf fuhr zu Osiris herum. „Wie viele Seelen?“
„Verrat. Mord. Diebstahl deines Körpers. Das sind drei Freveltaten, die mit drei Seelen bezahlt werden müssen.“ Osiris fixierte Sutekh mit einem stechenden Blick. „Seelen, die dir nahestehen, Sutekh, die bei dir in vorderster Front stehen, die dir Treue schwören mussten und niemandem anderen. Wähle mit Bedacht, Lokan.“
Lokan hätte schwören können, dass Sutekh zusammenzuckte.
„Wer sollen diese drei Seelen sein, Lokan Krayl? Hast du es dir
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