Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
gekommen – den von Christian las ich schon.«
Ich werde ihr nicht sagen, dass ich auch Charles’ Brief las. Es wäre ihr peinlich – ach was, es wäre uns beiden peinlich!
»Wirst du ihn mir vorlesen?«
»Er enthält eine traurige Nachricht. Princess Mary ist verstorben.«
»Du lieber Gott … armer Charles.«
Greysteel entnahm dem Umschlag den Brief und las:
Liebste Velvet,
als ich von Princess Marys tragischem Blatterntod hörte, eilte ich nach Whitehall und erfuhr von Emma, dass Du nach Roehampton gefahren wärest, um Deinen Mann vor einer möglichen Ansteckung zu warnen. Ich bin in größter Sorge um Dich und Montgomery und bitte Dich, mir sofort mitzuteilen, dass ihr wohlauf seid.
Leider breitet die Seuche sich immer weiter aus. Mein Enkel William erkrankte leicht, sein hübsches Gesicht wird jedoch stark von Narben entstellt sein. Du wirst dies gewiss als gerechte Strafe dafür ansehen, dass er das für Greysteel bestimmte Gemälde entwendete. Es zur Erpressung zu benutzen, um sich in den Besitz von Roehampton zu setzen, war eine Untat, für die er nun büßt.
Greysteel blickte von dem Brief auf und sah Velvet an. »Ich möchte diesen Hurensohn am liebsten umbringen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es würde Christian zu sehr schmerzen.«
Sein Blick lag wieder auf dem Brief, und er fuhr fort: Henrietta Maria ist in tiefster Trauer um ihre Tochter, und ich glaube, dass die Königin insgeheim bereut, wie sie ihren Sohn Henry behandelte. Sicher ist ihr nun klar, dass die Entfremdung nie wieder gutgemacht werden kann. Daraus sollten wir alle die Lehre ziehen, dass man sich wegen dummer Streitigkeiten nie mit seinen Lieben entzweien soll.
Greysteel und Velvet wechselten einen bezeichnenden Blick.
Mein ganzes Mitgefühl gilt Charles. Auch ein Herrscher über ein Königreich ist vor Tragödien und Kümmernis nicht gefeit. Von vielen Menschen, Schmeichlern wie Freunden, umgeben, ist er doch ein einsamer Mensch.
Greysteel vermied es, seine Frau anzusehen und las den Schluss vor.
Wenn ich nicht bald von Dir höre, komme ich nach Roehampton, um selbst zu sehen, wie es euch geht.
Mit innigster Liebe
Christian
»Wirst du ihr an meiner Stelle antworten, Liebling?«
»Sobald ich sehe, dass du ganz gesund bist.«
»Ich weigere mich zu sterben … wieder«, setzte sie leise hinzu.
Seine Augen flammten. »Du hast den letzten Atemzug getan, Velvet.«
»Ja … ich weiß, wie es ist, wenn man stirbt.«
»Und wie ist es?«
»Schrecklich … deshalb beschloss ich, zu dir zurückzukehren … ich wusste ja, du würdest mich behüten.« Sie drehte ihren Ehering, der ihr nun ganz locker saß, und dieser fiel zu Boden. Sie blickte auf den kleinen Goldreif hinunter und bemerkte, dass auf der Innenseite etwas eingraviert war. Sie hielt den Ring ans Licht und kniff die Augen zusammen, damit sie es lesen konnte. EWIG GELIEBT.
Velvets Herz erbebte, ihre Augen wurden groß. »Warum hast du mir nie gesagt, dass du mich liebst, Greysteel?«
»Von dem Tag unserer Verlobung an dachte ich, du wärest in Charles verliebt. Jetzt bin ich älter und klüger und weiß, dass ihr einander als Freunde liebt.«
»Als hingebungsvolle Freunde«, neckte Velvet ihn.
»Wenn du wieder imstande bist, Salz auf mein wundes Herz zu streuen, musst du dich schon besser fühlen. Hier ist ein Brief von deinem hingebungsvollen Freund. Ich lasse dich in Ruhe, während du ihn liest.«
Allein gelassen sah Velvet den versiegelten Brief in ihrer Hand an. Obwohl sie seit Charles’ achtem Lebensjahr befreundet waren, war es das erste Mal, dass er ihr geschrieben hatte. Als sie das Siegel erbrach und zu lesen anfing, erschien ihr der eigene missliche Zustand geringfügig angesichts des Schmerzes, der aus Charles’ Zeilen sprach.
Sie kam zu den Worten
Nie werde ich den Ausdruck der Angst um Euren Mann in Eurer Miene vergessen, als Ihr von der Ansteckungsgefahr erfahren habt. Er verriet mir, wie tief Ihr ihn liebt.
Sie las die Stelle ein zweites Mal. Als sie zu den Worten kam ›Ich beneide Montgomery um Eure Hingabe, weil ich weiß, dass mir nie so viel Liebe zuteil werden wird‹, las sie diese dreimal.
Plötzlich regte sich in Velvet ein Verdacht, da sie an Greysteels Worte dachte. »›Älter und klüger‹, dass ich nicht lache«, murmelte sie. »Wahrscheinlich wurde dir erst klar, dass Charles und ich nur gute Freunde sind, nachdem du diesen Brief gelesen hast.« Die Andeutung eines Lächelns berührte ihre Lippen, und sie beschloss, das
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