Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
sie, dass es im Wagen zu einer Masse dichter Locken getrocknet war. Verspätet fiel es Velvet ein zu knicksen.
»Nichts davon.« Die Countess stieß mit ihrem Elfenbeinstock auf den Boden. »Mein Haar war auch rot, aber kein Vergleich mit deinem herrlichen Goldton. Ich bin entzückt, dich hier zu haben.«
Velvets Stimme bebte. »Danke, Countess …«
»Ich bin die Dowager Countess – du wirst mich Christian nennen. Und wer ist das?«
»Das ist Emma, die so nett war, die Reise auf sich zu nehmen.«
Die Countess deutete mit dem Stock auf den Kutscher. »Führe Emma in die Küche. Die Köchin soll ihr ein herzhaftes warmes Essen vorsetzen.« Sie wartete, bis die beiden gegangen waren, ehe sie zu Velvet sagte: »Die Frau legt es ständig darauf an, mich zu mästen. Emma wird sie ablenken.«
Velvet lächelte, als etliche ihrer Ängste und Vorurteile dahinschmolzen. Die Witwe ist reizend!
Einige Stunden später saß Velvet nach einem warmen Bad gegen die Kissen gelehnt im Bett und schob das Tablett von sich. »Alles war köstlich. Ich bringe kein Krümelchen mehr hinunter.«
»Morgen werden meine Näherinnen deine neue Garderobe in Angriff nehmen. Na, eigentlich wirst du zweierlei Garderoben brauchen.«
»Zwei?« Velvet kämpfte gegen ein Gefühl der Überwältigung an. Das elegante Gemach, in dem man sie untergebracht hatte, war der Gipfel an Luxus, von den blitzenden Silberspiegeln angefangen bis zu den Bettdraperien aus Satin.
»Ja, mein Schatz. London ist nicht mehr der vergnügliche Ort von einst. Die Stadt wurde puritanisch umgemodelt und ist jetzt ganz Frömmigkeit ohne jeden Esprit. Dreimal in der Woche Kirchgang – mehr Höhepunkte bietet dieses trübsinnige Leben nicht. Die Velvet Cavendish, die wir der Außenwelt präsentieren, wird schlichte, dunkle Sachen tragen. Einfache Kleider in Dunkelbraun oder stumpfem Grau, mit Kragen und Manschetten in Weiß, dazu unauffällige Mäntel und Leinenhäubchen. Das ist natürlich nur Fassade. Zu Hause kannst du dich farblich austoben. Aber nichts tief Ausgeschnittenes oder übertrieben Feminines, Gott behüte«, sagte Christian mit köstlichem Sarkasmus. »Aber vielleicht Slipper mit Rosetten und nicht die vernünftigen breiten Schuhe mit diesen grässlichen Schnallen. Ach, gut, dass ich dich zum Lachen brachte.«
»Lachen tut wohl, obwohl meine Gouvernante mir als Kind beibrachte, dass es ein Zeichen von schlechter Erziehung sei.«
Christian lachte laut. »Als Kind warst du so eigenwillig, dass deine Gouvernante dir nichts beibringen konnte.«
»Du kannst dich an mich erinnern?« Velvet war verblüfft.
»Du warst herrlich altklug, wie hätte ich dich vergessen können? Aber das ist das Erbteil deiner Urgroßmutter Bess Hardwick. Das war eine Frau … aber das ist eine Geschichte, die du ein andermal hören sollst. Also, wo war ich?«
»Du sagtest, dass London puritanisch sei.«
»Genau. Denk immer daran, dass alles als Sünde gilt und alles, was Spaß macht, verboten ist. Sex ist noch erlaubt, aber nicht zum Vergnügen … der Akt darf keine Lust bereiten. Ach, jetzt bist du errötet. An meine losen Reden musst du dich gewöhnen, Liebes – ich habe eine ausgeprägte Vorliebe dafür.«
Montgomerys erster Besuch in London galt dem Goldschmied im Temple, dem er die Zahlungsanweisung seines Vaters präsentierte und ein Konto auf seinen eigenen Namen eröffnete, ehe er daranging, Samuel Lawson auszuhorchen und in Erfahrung zu bringen, was er von der Regierung hielt.
»Na, wie gehen die Geschäfte, Mr Lawson?«
»Mein Gewerbe als Geldverleiher blüht. Das bedeutet leider, dass London und das Land bis über die Ohren verschuldet sind. Die Leute sind doppelt wütend … sie werden nicht nur vom Militär regiert, sondern müssen auch noch dafür bezahlen.«
»Ihr glaubt also, die einfachen Leute haben das Militärregime satt und sehnen sich nach einem ruhigen Leben?«
»Die alte Regierungsform war besser«, murmelte Lawson.
Lord Montgomery durchwanderte die ganze Stadt, machte sich mit den Straßen und Bezirken vertraut und suchte nach der besten Lage für ein Kontor. Er entschied sich für Salisbury Court, wo er ein schmalbrüstiges Haus mit einem Kontor im Erdgeschoss und möblierten Räumen darüber mietete. In der Nähe gab es einen Stall, in dem er sein Pferd unterbringen konnte. Das Haus war günstig gelegen – unweit des Temple sowie der Themse und Blackfriars.
Als Nächstes ging er zum Barbier. Lange Locken deuteten royalistische
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