Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
Mittelsmänner als Agenten.«
»Ich werde mich in der Hauptstadt erst einmal umsehen. Dann werde ich ein kleines Haus mieten und ein Kontor einrichten.«
»Falls du am Stadtrand ein geeignetes Anwesen mit einem Herrenhaus findest, solltest du es kaufen.«
»Genau das hatte ich vor. Land steigt ständig im Wert. Ein Besitz in London wäre eine gute Anlage.«
»Unsere Bankgeschäfte wickeln wir mit einem Goldschmied im Temple namens Samuel Lawson ab. Du bekommst eine Zahlungsanweisung, damit du abheben kannst, was du brauchst. Die Frühlingsschur ist beendet, die Wolle wurde in ein Lagerhaus geschafft, das wir am Paul’s Wharfe in der Thames Street mieteten. Du hast also Zeit, den besten Preis abzuwarten.«
»Heute möchte ich mit deinem Verwalter die Bücher durchgehen.«
»Du wirst feststellen, dass unsere finanzielle Lage hervorragend ist.«
»Ach übrigens … ist das Land in Derbyshire, das mir Mutter vermachte, noch als Weideland verpachtet? Sicher würde es mehr einbringen, wenn wir die Schürfrechte vergeben. Ich sollte den Earl of Devonshire über seine Kontrakte zum Kohlenhandel befragen.«
»Seine Mutter hat die Finanzen in der Hand. Nach dem Ableben ihres Mannes behielt sie die völlige Verfügungsgewalt über das Erbe. Sie ist diejenige, die dir raten kann. Die Dowager Countess zog kürzlich von ihrem Besitz in Oldcoates nach London. Ich schulde ihr noch das Geld für ein paar hundert Schafe, die ich ihr abkaufte, als sie fortzog. Du solltest sie in London aufsuchen und die Schuld begleichen. Es kann nicht schaden, Verbindungen zu pflegen.«
Mit schuldbewusstem Blick hob der Earl eine Whiskeykaraffe und goss jedem einen Drink ein. »Diese verdammten Puritaner halten jede Annehmlichkeit für Sünde! London wurde von diesen religiösen Fanatikern ruiniert.«
Velvet ging in Begleitung Emmas an Land. Ein kleines Handelsschiff hatte sie über den stürmischen Ärmelkanal gebracht. Sie stand nun am Dock in London und bemühte sich, Zuversicht auszustrahlen, spürte aber, wie ihr Optimismus verebbte, als sie eine schwarze Wolke sah. Sie blickte sich nach einem Unterstand um und sah keinen. Dann wurden ihre Ängste wahr, als sich ein Sommerregen über sie ergoss.
Als der Regen nachließ, trat ein dunkel gekleideter Mann mittleren Alters auf sie zu. »Verzeiht, Mistress. Ich suche die Tochter des Earl of Newcastle, die heute mit diesem Schiff eintreffen soll. Wisst Ihr, wo die Dame sein könnte?«
»Ich bin es«, sagte Velvet mit einer Aufwallung von Erleichterung.
Der Mann sah sie zweifelnd an. »Seid Ihr sicher?«
Velvets Selbstbewusstsein sank klaftertief, doch wusste sie, dass es den überheblichen Domestiken zu überzeugen galt. »Ja, ich bin Mistress Cavendish, und das ist meine Begleiterin. Schickt Euch die Dowager Countess of Devonshire?«
Er fand seine Haltung wieder. »Allerdings. Der Wagen wartet dort drüben. Wo ist Euer Gepäck, Mylady?«
Velvet wies errötend auf die Reisetasche zu ihren Füßen.
Nun verbeugte sich der Kutscher höflich und griff nach der Tasche. »Ich heiße Davis. Folgt mir, meine Damen.«
Als der Wagen die Docks und das gesamte heruntergekommene Viertel hinter sich ließ, hatte Velvet nur mehr Augen für das Leben und Treiben auf den Straßen der Hauptstadt. Nach dem Empfang, den ihr der Kutscher bereitet hatte, wollte sie nicht an die bevorstehende Begegnung mit der reichen Countess denken. Die Gebäude und Wohnhäuser, an denen sie vorüberfuhren, wurden immer eindrucksvoller. Sie warf Emma, die ihr Bündel umklammernd dasaß, einen nervösen Blick zu. Ich hätte nicht kommen sollen!
Als sie die Stadtmauer erreichten und die Kutsche die Stadt durch Bishopsgate verließ, ging es an großen, inmitten ausgedehnter Gärten liegenden Häusern vorüber, sodann über eine lange Zufahrt bis zu einem stattlichen Herrensitz, vor dem sie anhielten. Entschlossen stieg Velvet die Stufen hinauf und stand im Begriff anzuklopfen, als die Tür auch schon von einem Diener geöffnet wurde. Sie betrat eine in Schwarz-Weiß gehaltene marmorne Empfangshalle und sah sich der Dowager Countess of Devonshire gegenüber. Als sie einander anstarrten, begannen Velvets Knie zu zittern.
»Was für eine strahlende Frau aus dir wurde!« Die gertenschlanke, eisengraue Countess sprach mit dem Hauch eines schottischen Akzents.
Velvet, die befürchtete, wie eine gebadete Maus auszusehen, glaubte, die alte Dame meine es spöttisch, und griff unwillkürlich nach ihrem Haar. Erleichtert merkte
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