Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
Gedächtnis ruft.
In der Deklaration hieß es, dass Geschichte nichts Willkürliches sei, sondern göttliche Fügung. Die Restauration des Königs sei nicht Menschenwerk, sondern Gottes Wille. Glaube, Versöhnung und Tradition würden die Ordnung im Staat wiederherstellen. Charles bot allen Gegnern des Hauses Stuart freien und umfassenden Pardon, mit Ausnahme derer, die das Parlament davon auszunehmen wünschte.
Greysteel lachte laut über Charles’ Schachzug, die Autorität des Parlaments hervorzuheben. »Er wirbt um die Mitglieder des Parlaments und lässt das traditionelle königliche Vorrecht unerwähnt.« Er legte die Zeitung auf den Schreibtisch und stellte sich vor, wie Charles die Parlamentskommissare bei ihrer Ankunft in Breda empfangen hatte. »Verdammt, sie werden sich in die Hosen machen, wenn sie ihren König in Lumpen antreffen!«
Als er die Glocken von St. Bride’s läuten hörte, dachte er sofort an Velvet. »Heute wird sie vor Glück außer sich sein.« Er unterdrückte seine Eifersucht, einen Dämon, auf den er nicht hören durfte.
Die Post kam, und Greysteel öffnete einen Brief seines Vaters. Er zog die Brauen zusammen, als er sah, dass der Gutsverwalter ihn verfasst hatte.
Lord Montgomery,
ich bedauere, Euch mitteilen zu müssen, dass der Earl of Eglinton anlässlich eines Besuchs auf einer Pachtfarm vom Pferd stürzte. Da die Frühjahrsschur bevorsteht, drängt Euer Vater auf Eure rasche Heimkehr.
Greysteel sah, dass die Unterschrift seines Vaters, unter den Brieftext gekritzelt, fast unleserlich war. Sofort machte er sich ans Packen. Im Laufe des Winters war er in Angelegenheiten des exilierten Königs sehr oft nach Edinburgh geritten. Da nun Charles offiziell als Englands rechtmäßiger Herrscher eingesetzt würde und er und Monck offen miteinander Nachrichten austauschen konnten, stand es Greysteel frei, sich um Familienangelegenheiten zu kümmern.
In seinem massiven Pfostenbett aufgestützt liegend, machte der Earl of Eglinton kein Hehl daraus, wie erleichtert er war, dass sein Sohn eingetroffen war.
»Wie fühlst du dich, Vater?« Zum ersten Mal im Leben sieht er verletzlich aus.
»Elendiglich!«
Der Mund des Earl war auf einer Seite hochgezogen, dass es aussah, als würde er lächeln. Greysteel wusste, dass das nicht der Fall war. Sein Vater unternahm den Versuch aufzustehen, ließ sich aber ermattet zurücksinken, da seine rechte Seite gelähmt war.
»Was kann ich tun, damit du dich besser fühlst?«
»Sch…een!«
Greysteel erkannte, dass auch die Sprache gelitten hatte. »Scheren?«, riet er, da er wusste, dass Arbeit und Geschäft bei Alex Greysteel Montgomery stets an erster Stelle standen. Er legte dem Earl tröstend eine Hand auf die Schulter. »Ich werde die Schur beaufsichtigen, Vater. Sei ganz beruhigt.«
»Wirst … wirst …«
»Was werde ich?«, half Greysteel leise aus.
Der Earl schüttelte verzweifelt den Kopf und deutete mit seinen stählernen Augen auf eine Lederschatulle auf dem Tisch neben dem Bett.
Greysteel griff danach und öffnete sie. Sie enthielt das Testament seines Vaters und einige andere Dokumente und Zertifikate. »Ich nehme sie in Verwahrung«, beruhigte er den ans Bett Gefesselten. »Der Verwalter erwartet mich. Du erholst dich, und ich kümmere mich um die Schafe.«
Die folgenden drei Tage verbrachte Greysteel unzählige Stunden im Sattel und überwachte die Schur Tausender der kostbaren Montgomery-Schafe auf über einem Dutzend Pachtfarmen. Keine einfache Aufgabe, während mehr als die Hälfte der Mutterschafe lammten. Bis zur Mitternacht des vierten Tages hatte er persönlich Geburtshilfe bei fast fünfhundert Schafen geleistet. Er grinste den Verwalter an. »Meine Hochachtung vor Vaters Ausdauer steigt beträchtlich.«
»Ja, im Frühjahr ist es harte Arbeit, viele Stunden lang.«
Montgomery stand auf und streckte sich. »Aber sehr lohnend.«
Trotz der späten Stunde sah Greysteel bei seinem Vater vorbei und war erleichtert, dass dieser schlief. Er begab sich auch zu Bett und war, obwohl körperlich erschöpft, geistig hellwach.
Er griff nach der Lederschatulle und zog die Dokumente heraus. Unter ihnen fand er seine Taufurkunde, der er entnahm, dass man ihn Robert Greysteel genannt hatte. Nun wusste er, dass es nicht nur ein Spitzname war. Als er die Trauungsurkunde seiner Eltern las, sah er, dass diese nur zwei Jahre vor dem Tod seiner Mutter datiert war. Vater ist nun achtundzwanzig Jahre allein. Obschon Greysteel keine
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