Fever Pitch
die meisten Menschen, doch eines Tages, vermute ich, werde ich irgend etwas zu einer für mich katastrophal unpassenden Zeit tun müssen – ich werde eine einmalige Gelegenheit haben, jemand zu interviewen, der mich nur an einem Samstagnachmittag unterbringen kann, oder es kommt zu einer unmöglichen Deadline, die einen Mittwochabend vor dem Computer verlangt. Richtige Schriftsteller gehen auf Autorentournee, treten als Gäste in WOGAN auf und machen alles mögliche an riskanten Dingen, also werde ich mich vielleicht eines Tages mit all dem abfinden müssen. Allerdings noch nicht jetzt. Die Verleger dieses Buches können vernünftigerweise nicht erwarten, daß ich einerseits über diese Art von Neurose schreibe und andererseits bereit bin, ein paar Spiele zu versäumen, um ihnen zu helfen, dafür zu werben. »Ich bin verrückt, habt ihr das schon vergessen?« werde ich ihnen sagen. »Darum dreht sich die ganze Sache! Ich kann auf keinen Fall eine Lesung bei Waterstone’s an einem Mittwochabend abhalten!« Und so überlebe ich ein klein wenig länger.
Ist es wirklich Zufall, pures Glück, daß ich mich bis heute, nach mehr als einem Jahrzehnt als Lohnempfänger, noch in keiner unvermeidlichen, zu Spielversäumnissen führenden Lage befunden habe? (Selbst meine Vorgesetzten in dem fernöstlichen Unternehmen, die für gewöhnlich von den Zwängen eines gesellschaftlichen Lebens vollkommen verblüfft waren, hatten keinerlei Zweifel, daß Arsenal wichtiger war.) Oder hat meine Besessenheit meine Wünsche und Ziele von Anfang an geformt und bestimmt? Ich würde natürlich lieber glauben, daß sie das nicht getan hat, denn anderenfalls sind die Folgerungen beängstigend: All diese Alternativen, die ich während meiner Teenagerjahre noch zu haben glaubte, haben dann nie existiert, und das Spiel gegen Stoke 1968 hat mich wirklich daran gehindert, ein Unternehmer, Arzt oder richtiger Journalist zu werden. (Wie viele Fans habe ich nie auch nur daran gedacht, Sportjournalist zu werden. Wie könnte ich über Liverpool gegen Barcelona berichten, wenn ich lieber in Highbury wäre, um Arsenal gegen Wimbledon anzuschauen? Eine Menge Geld dafür zu bekommen, daß ich über das Spiel schreibe, das ich liebe, ist eine von meinen dunkelsten, heimlichsten Ängsten.)
Ich ziehe es vor, meine Freiheit, nach Highbury zu gehen, wann immer ein Spiel stattfindet, als eine zufällige Begleiterscheinung meines gewählten Weges anzusehen und belasse es dabei.
Hillsborough
Arsenal gegen Newcastle – 15.4.89
Es gab Gerüchte, die von denen mit Radios ausgingen, aber wir wußten bis zur Halbzeit, in der für das Halbfinalspiel zwischen Liverpool und Nottingham Forest kein Ergebnis bekanntgegeben wurde, tatsächlich nichts davon, und selbst dann hatte niemand eine wirkliche Vorstellung von dem gräßlichen Ausmaß des Ganzen. Am Ende unseres Spiels, eines langweiligen, mühsamen1:0-Sieges, wußte jeder, daß es Tote gegeben hatte. Und einige Leute, jene, die bei großen Anlässen in Hillsborough gewesen waren, konnten sich vorstellen, wo ungefähr im Stadion sich die Tragödie abgespielt hatte; aber schließlich war keiner der Verantwortlichen im Fußball jemals an den bösen Vorahnungen von Fans interessiert gewesen.
Zu dem Zeitpunkt, als wir zu Hause ankamen, war klar, daß es nicht einfach ein weiteres Fußballunglück war, die Art, die einmal alle paar Jahre passiert, ein oder zwei arme Menschen tötet und von all den einschlägigen Fachleuten allgemein und salopp als eine der Gefahren unseres gewählten Zeitvertreibs angesehen wird. Die Zahl der Toten stieg im Minutentakt – sieben, dann zwanzig, dann etwas mehr als fünfzig und schließlich fünfundneunzig – und dir wurde klar, daß, wenn irgend jemand auch nur noch einen Funken gesunden Menschenverstandes geblieben war, nichts jemals wieder so sein würde, wie es gewesen war.
Es ist leicht zu verstehen, warum sich die Hinterbliebenen wünschen, Beamte der South Yorkshire Police vor Gericht gestellt zu sehen: Ihre Fehler in der Beurteilung der Situation waren katastrophal. Aber auch wenn feststeht, daß die Polizei an jenem Nachmittag schlimme Fehler beging, wäre es schrecklich rachsüchtig, sie für etwas Weitergehenderes als Inkompetenz anzuklagen. Sehr wenige von uns sind so unglücklich, sich in einer Position zu befinden, in der unsere beruflichen Fehler Menschen töten. Die Polizei in Hillsborough war niemals imstande, Sicherheit zu garantieren, egal wie viele Tore sie
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