Fever Pitch
Arsenal und in einem geringeren Maß bei West Harn – ist ein Ausflugstag der Vorstädter geworden. Die Bevölkerungsstruktur hat sich mittlerweile verändert, und all jene Leute, die in Islington, Finsbury Park und Stoke Newington wohnten und die Spiele besuchten, sind weg: Sie sind entweder tot oder sie haben ihre Häuser verkauft und sind raus nach Essex, Hertfordshire oder Middlesex gezogen. Und obwohl du eine ganze Menge Leute mit Clubhemden herumlaufen siehst und sich einige der Ladenbesitzer für die Ergebnisse interessieren (einer der Jungs, der den Zeitungsstand im Inneren der UBahnstation führt, ist ein engagierter und kenntnisreicher Arsenalfan, obwohl sein Bruder Chelsea unterstützt), bin ich hier einsamer, als ich das Ende der Sechziger überhaupt für möglich gehalten hätte, vor all jenen Jahren, als ich meinen Dad zu drängen pflegte, ein Haus in der Avenell Road zu kaufen, und er sagte, ich werde irgendwann die Nase voll haben.
Tyrannei
Arsenal gegen Charlton – 21.3.89
Ich schreibe jetzt von mir. Der Junge, der sich seinen Weg durch den ersten Teil dieses Buches gebahnt hat, ist verschwunden; der junge Mann, der sich den Großteil seiner zwanziger Jahre krankhaft mit sich selbst beschäftigt hat, ist auch nicht mehr da. Ich kann das Alter oder vielmehr die Jugend nicht mehr länger in der Weise benutzen, mich selbst zu erklären, wie mir das an anderer Stelle möglich war.
Je älter ich werde, um so unangemessener und reizloser ist die Tyrannei, die der Fußball über mein Leben und damit über das Leben der Menschen um mich herum ausübt. Familie und Freunde wissen nach vielen Jahren erschöpfender Erfahrung, daß der Spielplan bei jeder Verabredung das letzte Wort hat. Sie verstehen oder sie akzeptieren zumindest, daß Taufen, Hochzeiten oder irgendwelche Zusammenkünfte, die in anderen Familien unbestrittenen Vorrang einnehmen würden, nur nach Rücksprache geplant werden können. Also wird Fußball als eine gegebene Behinderung angesehen, die im Alltag berücksichtigt werden muß. Wenn ich an den Rollstuhl gebunden wäre, würde niemand, der mir nahesteht, irgendwas in einer Wohnung im obersten Stock veranstalten, warum also sollten sie irgendwas für einen Samstagnachmittag im Winter planen? Wie jeder andere auch spiele ich aber im Leben der meisten Leute, die ich kenne, nur am Rande eine Rolle, und diese Leute interessieren sich häufig nicht für den Spielplan der ersten Division. So hat es Hochzeitseinladungen gegeben, die ich widerstrebend, aber unvermeidlich ablehnen mußte, auch wenn ich immer darauf achte, eine gesellschaftlich annehmbare Entschuldigung zu liefern, die mit Familienproblemen oder Schwierigkeiten bei der Arbeit zu tun hat;
»Heimspiel gegen Sheffield United« wird in derartigen Situationen für eine unangemessene Erklärung gehalten.
Und dann gibt es die unvorhersehbaren Pokalwiederholungs
spiele, die neu angesetzten Spiele Mitte der Woche, die Spiele, die kurzfristig von Samstag auf Sonntag verlegt werden, um den Sendeabläufen des Fernsehens entgegenzukommen, also muß ich Einladungen, die mit potentiellen Spielansetzungen kollidieren, genauso ablehnen wie die, die mit tatsächlichen Spielansetzungen kollidieren. (Oder ich verabrede mich, warne aber die betreffenden Personen, daß ich möglicherweise im letzten Moment absagen müsse, was gelegentlich nicht besonders gut ankommt.)
Aber es wird schwieriger und schwieriger, und manchmal ist es unvermeidlich, jemandem wehzutun. Das Spiel gegen Charlton wurde für denselben Abend neu angesetzt, an dem die Geburtstagsfeier einer sehr engen Freundin, eine Feier, zu der nur fünf Leute eingeladen worden waren, stattfinden sollte. Sobald mit klar wurde, daß es einen Interessenkonflikt gab, verfiel ich in die übliche kurze Panik, in der ich über ein ohne mich stattfindendes Heimspiel nachdachte, und dann rief ich sie schweren Herzens an und schilderte ihr die Situation. Ich hoffte auf ein Lachen und auf Absolution, doch beides blieb mir verwehrt, und durch den Klang ihrer Stimme, durch die Enttäuschung und leichte Verärgerung, die sie enthielt, begriff ich, daß ich damit auch nicht rechnen konnte. Stattdessen sagte sie einen jener furchtbaren Sätze, »Du mußt tun, was du für richtig hältst«, oder »Du mußt tun, was du willst«, etwas in der Art; eine jener frostigen Äußerungen, die dazu bestimmt sind, dich zu ertappen, und ich sagte, ich müsse darüber nachdenken, doch wir beide wußten, daß ich
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