Fever Pitch
überhaupt nicht darüber nachdenken würde, daß ich als die unwürdige, oberflächliche und armselige Kreatur entlarvt worden war, die ich bin, und ich ging zu dem Spiel. Und ich war froh, daß ich ging. Paul Davis erzielte eines der tollsten Tore, das ich je in Highbury gesehen habe, einen Flugkopfball, nachdem er im Anschluß an einen Angriff von Charlton über den ganzen Platz gesprintet war.
Es gibt zwei Dinge, die sich aus Vorfällen wie diesem ergeben. Erstens habe ich angefangen zu vermuten, daß ich eher zu Highbury als zu der Mannschaft eine Beziehung habe: Wenn das Spiel im Valley, in Selhurst Park oder Upton Park stattgefunden hätte – die alle, möchte man denken, für einen Mann, der so besessen ist wie dieser hier, nicht unerreichbar sind –, wäre ich nicht hingegangen. Worum dreht sich also alles? Warum bin ich höllisch scharf darauf, ein Spiel mit Arsenal in einem Teil von London zu sehen, nicht aber in einem anderen? Was, um mit den Therapeuten zu reden, ist hier die Phantasievorstellung? Was, bilde ich mir ein, würde mir widerfahren, wenn ich nur mal einen Abend nicht in Highbury gewesen wäre und ein Spiel verpaßt hätte, das zwar für den Ausgang des Meisterschaftsrennens entscheidend gewesen sein mag, aber nur schwerlich Unterhaltung versprach, die man nicht versäumen durfte? Die Antwort ist, glaube ich, folgende: Ich habe Angst, daß ich im nächsten Spiel, demjenigen nach dem, das ich versäumt habe, irgendwas von dem, was vor sich geht, nicht verstehen werde, einen Gesang oder eine Abneigung der Menge gegenüber einem Spieler; und damit wird mir der Ort, den ich auf der Welt am besten kenne, der einzige Platz außerhalb meiner Wohnung, von dem ich das Gefühl habe, daß ich dort uneingeschränkt und unzweifelhaft hingehöre, fremd geworden sein. Ich verpaßte das Spiel gegen Coventry 1991 und das Spiel gegen Charlton 1989, war jedoch beide Male im Ausland. Und obwohl das erste Nichterscheinen ein komisches Gefühl hinterließ, linderte die Tatsache, daß ich mehrere hundert Meilen vom Stadion entfernt war, die Panik und machte es erträglich.
Das einzige Mal, als ich während eines Heimspiels von Arsenal irgendwo anders in London war (ich war in der Victoria Station und stand nach einem Ticket für einen von Freddy Lakers spottbilligen Transatlantikflügen an, während wir im September 1978 QPR 5:1 schlugen, und das Wachrufen der Erinnerung an den Gegner und das Ergebnis bedeuten einiges für mich), wand ich mich vor Unbehagen.
Aber eines Tages, bald, wird es wieder passieren, und ich weiß das. Krankheit (allerdings war ich mit Grippe, verstauchten Knöcheln und mehr oder weniger mit allem, was keinen Zugang zu einer Toilette erforderte, in Highbury), das erste Fußballspiel meines Kindes (falls ich je eins haben werde) oder sein Mitwirken in einer Theateraufführung in der Schule (doch, ich würde gewiß in die Aufführung gehen … na ja, ich fürchte, daß ich bekloppt genug bin, mein Kind zu übergehen und damit dafür zu sorgen, daß es im Jahr 2025 Stunden auf irgendeiner Couch in Hampstead verbringt und einem ungläubigen Seelenklempner erklärt, daß seine oder ihre Kindheit hindurch Arsenal für mich immer wichtiger war), Trauerfall in der Familie, Arbeit …
Was mich zu dem zweiten Punkt bringt, der sich aus diesen Problemen mit neu angesetzten Spielen ergibt: Arbeit. Mein Bruder hat jetzt einen Job, der mehr als einen Neunbis-fünfTrott verlangt, und obwohl ich mich nicht erinnern kann, daß er bislang durch die Arbeit ein Spiel verpaßt hat, ist es nur eine Frage der Zeit. Eines nicht allzu fernen Tages, in dieser Saison oder in der nächsten, wird jemand ein improvisiertes Meeting anberaumen, das erst um halb neun oder neun endet, und er wird dasitzen und auf eine Aktennotiz starren, während drei oder vier Meilen weit weg Merson einen gegnerischen Außenverteidiger demütigt. Und es wird ihm nicht gefallen, doch er wird keine große Wahl haben, also wird er die Achseln zucken und sich wieder um seine Aktennotiz kümmern.
Ich glaube nicht, daß ich diese Art von Job machen könnte, aus den oben umrissenen Gründen. Doch wenn ich es täte, hoffe ich, daß ich fähig wäre, mit den Achseln zu zucken. Ich hoffe, ich würde in meiner Panik nicht um mich treten, schmollen, flehentlich bitten und mich allgemein als jemand zu erkennen geben, der sich erst noch mit den Anforderungen des Lebens als Erwachsener abfinden muß. Schriftsteller haben mehr Glück als
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