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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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meiner besten Zeit war ich nie der wildeste Hans-Dampf-in-allen-Gassen-Pfadfinder, und kurz vor unserer Abfahrt hatte ich entdeckt, daß meine Eltern sich zu guter Letzt scheiden ließen. Eigentlich störte mich das nicht sonderlich, zumindest nicht bewußt, denn schließlich lebten sie mittlerweile einige Zeit getrennt, und der juristische Vorgang schien nur eine simple Bestätigung dieser Tatsache zu sein.
      Aber von dem Augenblick an, als wir im Lager ankamen, hatte ich furchtbares, überwältigendes Heimweh. Ich wußte, daß es mir unmöglich vorkommen würde, die zehn Tage in der Fremde durchzustehen, und jeder Morgen begann mit einem R-Gespräch mit meiner Mutter, in dessen Verlauf ich kläglich und peinlich über die Strippe nach Hause heulte. Mir war klar, daß dieses Verhalten ganz unglaublich schwach war, und als ein älterer Pfadfinder die Aufgabe erhielt, mit mir zu reden, um herauszufinden, was nicht stimmte, erzählte ich ihm mit schamlosem Eifer von der Scheidung. Es war die einzige Erklärung, die mir einfiel, um mein weibisches Verlangen, meine Mutter und meine Schwester zu sehen, in gewisser Weise zu entschuldigen. Die Rechnung ging auf. Für den Rest der Ferien wurde ich von den anderen Campern mit ehrfurchtsvollem Mitleid behandelt.
    Ich flennte und triefte mich durch die erste Woche, doch das machte es nicht einfacher, und am Samstag wurde mein Vater von seinem Standort in den Midlands in Marsch gesetzt, um mich zu besuchen. Samstag war, natürlich, der härteste Tag von allen. Ich steckte während des ersten Heimspiels der Saison in irgendeinem doofen walisischen Feld fest, und mein Gefühl der Verschleppung war schlimmer denn je.
      Ich hatte Fußball in den vorangegangenen Monaten vermißt. Der Sommer 69 war der erste in meinem Leben, in dem etwas zu fehlen schien. Mein Dad und ich sahen uns mit den Problemen aus der Zeit vor Arsenal konfrontiert: Die Sportseiten hatten für mich keinerlei Interesse mehr (in jenen Tagen, vor Gazza, vor zynischen und bedeutungslosen Saisonvorbereitungs-Turnierchen, die irgendwie aber doch eine MethadonAlternative zu den kommenden, wirklichen Wettbewerben bieten – und vor dem lächerlich frenetischen, heutigen Transfermarkt erschienen die Zeitungen wochenlang, ohne Fußball auch nur zu erwähnen), und wir durften in der Schule nicht auf die Tennisplätze, um einen Ball durch die Gegend zu kicken. Ich hatte die vergangenen Sommer herbeigesehnt, doch dieser hier zerstörte so viele Routineabläufe, auf die ich mich mittlerweile verließ, daß er eher erstickend als befreiend erschien – so als ob Juli und November ihre Plätze getauscht hätten.

    Dad kam mitten am Nachmittag auf dem Zeltplatz an. Wir gingen hinüber zu einem Felsen am Rande des Feldes und setzten uns hin, und Dad sprach davon, welch kleinen Unterschied die Scheidung als solche für unser Leben machen würde und daß wir nächste Saison sehr viel häufiger nach Highbury gehen könnten. Ich wußte, daß er bezüglich der Scheidung recht hatte (obwohl dieses Geständnis seine Zweihundertmeilenreise eigentlich überflüssig machte), doch das Fußballversprechen erschien mir leer. Was taten wir, wenn dem so war, sitzend auf einem Felsen in Wales, während Arsenal gegen Everton spielte? Schon vor einer ganzen Weile hatte mich mein Selbstmitleid übermannt. Ich schob tatsächlich die Schuld für alles – das scheußliche Essen, die alptraumhaften Wanderungen, die beengten, unbequemen Zelte, die widerlichen, Fliegen anziehenden Löcher, in die wir scheißen sollten, und, das Allerschlimmste, die zwei leeren Sitze auf der Westtribüne auf die Tatsache, daß ich das Kind entfremdeter Eltern war, das Produkt eines zerbrochenen Zuhauses; in Wirklichkeit war ich in einem Pfadfinderlager in Wales, weil ich den Pfadfindern beigetreten war. Nicht zum ersten Mal in meinem Leben, und auch sicher nicht zum letzten Mal, hatte eine selbstgerechte Schwermut jeglichen Anschein von Logik verdrängt.
    Kurz vor fünf gingen wir zurück zu meinem Zelt, um die Ergebnisse zu hören. Wir beide wußten, daß der Erfolg der Mission meines Vaters weitgehend nicht von seiner Fähigkeit, mich zu beruhigen oder zu überzeugen, sondern von den Neuigkeiten aus Nordlondon abhing, und ich denke, daß mein Vater sogar noch inbrünstiger als üblich um einen Heimsieg betete. Ich hatte ihm ohnehin in den vorangegangenen zwanzig Minuten nicht richtig zugehört. Er setzte sich auf irgendeinen fremden Schlafsack, eine nicht in die

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