Fever Pitch
ansatzweise hinkriegten, gaben wir’s bald auf.)
Vermöbelt
Arsenal gegen Derby – 31.10.70
Mein Vater war 1970 ins Ausland verzogen, und ein neues Arsenalritual stellte sich ein, eins, das nicht länger auf seine nun seltenen Besuche angewiesen war. Der Bruder meines Klassenkameraden Frog stellte mir in der Schule einen anderen, älteren Arsenalfan vor, den jeder nur Rat nannte, und wir beide reisten gemeinsam nach Highbury hinauf. Die ersten drei Spiele, die wir sahen, waren spektakuläre Erfolge: 6:2 gegen West Brom, 4:0 gegen Forest und 4:0 gegen Everton. Es waren aufeinanderfolgende Heimspiele und ein goldener Herbst.
Es ist dumm und unverzeihlich blauäugig, über die Preise von 1970 nachzudenken, doch ich tue es trotzdem. Eine Hin- und Rückfahrt nach Paddington kostete für ein Kind 30 Pence, die Hin- und Rückfahrt in der U-Bahn von Paddington nach Arsenal 10 Pence und der Eintritt ins Stadion 15 Pence (25 Pence für Erwachsene). Selbst wenn man ein Programm kaufte, war es möglich, für weniger als 60 Pence dreißig Meilen weit zu reisen und ein Fußballspiel der ersten Division anzuschauen.
(Möglicherweise sagt diese Banalität letztlich doch etwas aus. Wenn ich jetzt reise, um meine Mutter zu besuchen, beträgt der Preis für Hin- und Rückfahrt am gleichen Tag £2.70 – eine zehnfache Steigerung im Vergleich zu den Tarifen von 1970. Dagegen kostet der Stehplatz auf den Tribünen von Arsenal jetzt, in der Saison 91/92, £ 8, eine zweiunddreißigfache Steigerung. Inzwischen ist es also billiger ins West End zu gehen und sich den neuen Woody Allen oder Arnold Schwarzenegger in einem gemütlichen Kinosessel anzuschauen, als zu stehen und zuzusehen, wie Barnsley im Rumbelows Cup in Highbury auf 0:0 spielt. Wäre ich zwanzig Jahre jünger, würde ich in zwanzig Jahren kein Arsenalanhänger sein. Für die meisten Kinder ist es unmöglich, jeden zweiten Samstag die zehn oder fünfzehn Pfund aufzutreiben, und wenn ich außerstande gewesen wäre, in meinen frühen Teens regelmäßig hinzugehen, wäre es unwahrscheinlich, daß mein Interesse überdauert hätte.)
Der Art-déco-Prunk der Westtribüne war ohne Dads tiefere Taschen nicht möglich, also standen Rat und ich in der Einfriedung für Schulkinder, der Schoolboys’ Enclosure, und verfolgten das Spiel durch die Beine des Linienrichters. Zu jener Zeit lehnte der Club Bandenwerbung und einen DJ vor dem Spiel ab, und so hatten wir keins von beidem. Chelseafans mögen den Beatles und den Stones zugehört haben, doch in Highbury sorgte die Metropolitan Police Band und ihr Sänger, Wachtmeister Alex Morgan, für Halbzeitunterhaltung. Wachtmeister Morgan (dessen Dienstgrad sich im Verlauf seiner langen Highbury-Karriere nie änderte) sang Höhepunkte aus leichten Operetten und Hollywood-Musicals. Meinem Programm für das Spiel gegen Derby entnehme ich, daß er an jenem Nachmittag Lehars »Gern hab ich die Fraun geküßt« zum besten gab.
Es war ein bizarres Ritual. Unmittelbar vor dem Anstoß schlug er eine extrem hohe Note an und hielt diese als Höhepunkt seiner Darbietung. Auf der Westtribüne, genau hinter ihm, erhob sich die Menge, während die Nordtribüne versuchte, ihn durch Pfeifen und Gesänge zu übertönen. Die Schoolboys’ Enclosure ist die Art von merkwürdiger Bezeichnung, die sich nur Arsenal mit seinem Pseudo-Opernhauscharme, seinem Präsidenten mit Ausbildung in Eton und seiner lähmend schweren Geschichte aussuchen konnte, eine Bezeichnung, die einen sicheren, friedlichen Platz für Jennings und Darbishire oder William Brown vermuten ließ, vorausgesetzt sie benahmen sich ordent lich. Schief aufgesetzte Kappen und schmuddelige Blazer, Frösche in den Taschen und Brausegetränke mit Lakritze – in der Tat ein idealer Platz für zwei Schuljungs aus den Vororten, die sich in der Stadt das »Große Spiel« anschauen.
Nur leider war die Schoolboys’ Enclosure 1970, als Glatzen und Doctor-Martens-Springerstiefel auf den Stehplatztribünen aufzutauchen begannen, kein gemütlicher Ort mehr. Der kleine, enge Abschnitt der Stehränge war praktisch eine Brutstätte für zukünftige Hooligans, harte Jungs aus Finsbury Park und Holloway, die entweder zu klein oder zu arm waren, um das Spiel von der Nordtribüne aus zu verfolgen, wo ihre großen Brüder standen. Rat und ich nahmen sie in den ersten paar Wochen gar nicht zur Kenntnis, schließlich waren wir alle Arsenalfans. Warum sollten wir uns also Sorgen machen? Und doch trennte
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