Fever Pitch
Szenerie passende Gestalt in seiner makellosen Junger-leitender-Angestellter-dersechziger-Jahre-Freizeitkleidung, und wir schalteten BBC2 ein. Die Erkennungsmelodie des SPORTS REPORT trieb mir erneut das Wasser in die Augen (in einer anderen, besseren Welt hätten wir in diesem Moment auf den heißen Ledersitzen von Dads Geschäftswagen gesessen, versucht, uns durch den Verkehr zu wühlen und mitgesummt). Als sie vorbei war, gab James Alexander Gordon eine 0:l-Heimniederlage bekannt. Dad sackte müde und in dem Wissen, daß er seine Zeit vergeudet hatte, gegen die Zeltleinwand, und ich kehrte am nächsten Nachmittag nach Hause zurück.
Ödes, ödes Arsenal
Arsenal gegen Newcastle – 27.12.69
»All diese trostlosen torlosen Unentschieden gegen Newcastle«, sollte mein Vater in den kommenden Jahren klagen. »All diese saukalten, langweiligen Samstagnachmittage.« Tatsächlich gab es nur zwei trostlose torlose Unentschieden gegen Newcastle, doch die ereigneten sich während meiner ersten beiden Jahre in Highbury, und darum wußte ich, was er meinte, und fühlte mich persönlich dafür verantwortlich.
Mittlerweile fühlte ich mich schuldig wegen dessen, was ich meinem Vater eingebrockt hatte. Er empfand keine wirkliche Sympathie für Arsenal und hätte mich, glaube ich, lieber in jedes andere Erstligastadion mitgenommen. Mir war das leider nur zu bewußt, und so tauchte eine neue Quelle des Unwohlseins auf: Während Arsenal sich mühsam seinen Weg zu l:0-Siegen und 0:0-Unentschieden bahnte, wand ich mich vor Verlegenheit und wartete darauf, daß Dad seiner Unzufriedenheit Ausdruck verlieh. Ich hatte nach dem Swindonspiel entdeckt, daß Treue, zumindest was den Fußball anging, keine moralische Wahl wie Tapferkeit oder Freundlichkeit, sondern eher eine Warze oder ein Buckel war, etwas, das dir anhaftet. Ehen sind nicht im entferntesten so streng – du wirst keinen Arsenalfan finden, der sich für ein bißchen außereheliche Fummelei zu Tottenham fortstiehlt, und obwohl Scheidung eine Möglichkeit ist (du kannst einfach aufhören hinzugehen, wenn die Dinge zu schlimm werden), ist die Wahrscheinlichkeit, erneut eingefangen zu werden, erschreckend groß. Es gab einen Haufen Momente im Verlauf der letzten dreiundzwanzig Jahre, in denen ich das Kleingedruckte meines Ehevertrages auf der Suche nach einem Ausweg eifrigst studiert habe, aber es gibt keinen. Jede erniedrigende Schlappe (Swindon, Tranmere, York, Walsall, Rotherham, Wrexham) muß mit Geduld, Fassung und Nachsicht ertragen werden, denn es gibt ganz einfach nichts, was dagegen unternommen werden kann, und das ist eine Erkenntnis, die dich dazu bringen kann, frustriert die Wand hochzugehen.
Natürlich haßte ich die Tatsache, daß Arsenal langweilig war (auch wenn ich mittlerweile akzeptiert hatte, daß der Ruf des Clubs, besonders in diesem Abschnitt seiner Geschichte, weitestgehend verdient war). Natürlich wollte ich, daß die Mannschaft Zillionen von Toren erzielte und mit dem Schwung und Nervenkitzel von elf George Bests spielte, doch das würde nicht passieren, jedenfalls nicht in absehbarer Zukunft. Ich war nicht imstande, die Unzulänglichkeiten meines Teams meinem Vater gegenüber zu verteidigen – ich konnte sie selbst erkennen, und ich haßte sie –, und nach jedem schwachen Torschußversuch und jedem Fehlpaß wappnete ich mich gegen die Seufzer und das Stöhnen vom Sitz neben mir. Ich war an Arsenal und mein Dad an mich gekettet, und es gab für keinen von uns einen Ausweg.
Pelé
Brasilien gegen die Tschechoslowakei – Juni 1970
Bis 1970 wußten Leute meines Alters und auch die meisten der Älteren mehr von Ian Ure als vom größten Spieler der Welt. Wir wußten, daß er angeblich ziemlich brauchbar war, doch wir hatten sehr wenig Beweise dafür gesehen. Er war von den Portugiesen buchstäblich aus dem 66er Turnier getreten worden – wobei er ohnehin nicht richtig fit war –, und niemand, den ich kannte, war in der Lage, sich genau an die Weltmeisterschaft 1962 in Chile zu erinnern. Sechs Jahre nachdem Marshall McLuhans UNDERSTANDING MEDIA veröffentlicht worden war, hatten gut Dreiviertel der Bevölkerung von England ein in etwa so klares Bild von Pelé wie von Napoleon vor hundertfünfzig Jahren. Mexiko 70 läutete eine vollkommen neue Phase im Konsum des Fußballs ein. Es war immer ein globales Spiel in dem Sinne gewesen, daß die ganze Welt zuschaute und die ganze Welt spielte, aber 1962, als Brasilien den Weltmeistertitel
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