Fever Pitch
Club war erst seit sechs Jahren in der Liga. Und wenn die Us ein Spiel gewannen, schmetterte der Stadionlautsprecher »I’ve Got a Lovely Bunch of Coconuts«, eine exzentrische Anwandlung, für die niemand eine Erklärung zu haben schien. Es war unmöglich, für sie keine warme, fürsorgliche Zuneigung zu empfinden.
Es dauert nur ein paar Spiele, ehe ihre Ergebnisse für mich eine große Bedeutung anzunehmen begannen. Was auch daran lag, daß sie ein erstklassiges Viertligateam waren – Trainer Ron Atkinson ließ sie einen eleganten, schnellen Kurzpaß-Fußball spielen, der ihnen zu Hause für gewöhnlich drei oder vier Tore einbrachte (sie schlugen Darlington bei meinem ersten Besuch 4:0), und mit Webster, dem Torwart, und Batson, einem der beiden Außenverteidiger, eine Verbindung zu Arsenal bestand. Ich hatte Webster 1970 bei einem seiner wenigen Spiele für Arsenal zwei Tore kassieren sehen (durch George Best); und Batson, der Anfang der Siebziger einer der ersten schwarzen Spieler in der Liga gewesen war, hatte sich seit seinem Wechsel von Highbury von einem schwachen Mittelfeldspieler zu einem Klasseverteidiger gewandelt.
Aber was mir in erster Linie Vergnügen bereitete, war der Umstand, daß die Spieler sich selbst, ihre Charaktere und ihre Mängel sozusagen auf Anhieb offenbarten. Der moderne Erstligaspieler ist zum größten Teil ein anonymer junger Mann: Er und seine Kollegen haben eine auswechselbare Konstitution, ähnliche technische Fertigkeiten, eine ähnliche Grundschnelligkeit und ähnliche Temperamente. Das Leben in der vierten Division war anders. Cambridge hatte fette Spieler und dünne Spieler, junge Spieler und alte Spieler, schnelle Spieler und langsame Spieler, Spieler, deren Karriere zu Ende ging, und Spieler, die auf dem Weg nach oben waren. Jim Hall, der Mittelstürmer, sah aus und bewegte sich wie ein Fünfundvierzigjähriger, sein Sturmpartner Alan Biley, der später für Everton und Derby spielte, hatte einen absurden Rod-StewartHaarschnitt und die Schnelligkeit eines Windhundes, und Steve Spriggs, der Antreiber im Mittelfeld, war klein, untersetzt und stummelbeinig. (Zu meinem Entsetzen wurde ich während meiner Zeit in der Stadt des öfteren mit ihm verwechselt. Als ich einmal vielleicht zehn Minuten vor einem Spiel, für das Spriggs aufgestellt war, gegen eine Wand gelehnt dastand, eine Rothmans rauchte und ein Fleischpastetchen aß, machte ein Vater seinen kleinen Sohn auf mich, den vermeintlichen Mittelfeldmotor, aufmerksam – ein Mißverständnis, das viel über die Erwartungen sagt, die die Menschen in Cambridge an ihr Team stellten. Und ein anderes Mal, in der Männertoilette eines örtlichen Pubs, geriet ich in einen absurden Streit mit jemandem, der sich schlicht weigerte zu akzeptieren, daß ich nicht derjenige war, der nicht zu sein ich behauptete.)
Am denkwürdigsten von allen war Tom Finney, ein ausgebuffter, streitlustiger Außenstürmer, der einige Jahre später mit Nordirland an der Weltmeisterschaftsendrunde 1982 teilnahm (was für mich, obwohl er dort nicht zum Einsatz kam, unglaublich bleibt), und dessen Schwalben und Fouls oft ein unverschämtes Zwinkern ins Publikum folgte.
Ich habe immer gedacht, wenn auch jetzt nicht mehr, daß Älterwerden und Erwachsenwerden einander entsprechen, daß beides unvermeidliche und unkontrollierbare Vorgänge sind. Jetzt scheint mir, daß Erwachsenwerden vom Willen beherrscht ist, daß man wählen kann, ein Erwachsener zu werden, allerdings nur in bestimmten Augenblicken. Diese Augenblicke ergeben sich ziemlich selten – während einer Beziehungskrise, zum Beispiel, oder wenn man die Chance erhalten hat, irgendwo noch mal anzufangen –, und man kann sie ignorieren oder nutzen. In Cambridge hätte ich mich neu erfinden können, wenn ich schlau genug gewesen wäre. Ich hätte den kleinen Jungen ablegen können, dem die Fixierung auf Arsenal durch einen heiklen Abschnitt seiner Kindheit und seiner frühen Teens geholfen hatte, ich hätte ein vollständig anderer Mensch werden können, ein großspurig selbstbewußter und ehrgeiziger junger Mann, der sich seines Weges durch die Welt sicher ist. Aber ich habe es nicht getan. Aus irgendeinem Grund klammerte ich mich, als ob mein Leben davon abhing, an das Ich meiner Jugend, und ließ mich von ihm durch meine Studentenjahre leiten; und damit bedeutete der Fußball, weder zum ersten oder letzten Mal noch aus eigener Schuld, sowohl eine Stütze als auch eine
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