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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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Tottenhamfan, genauso entrückt, angespannt und unglücklich wie ich, als ich Arsenal das erste Mal unterstützte, und weil wir keine Karten für Wembley gekriegt haben, schauen wir das Spiel zu Hause im Fernsehen an. In der letzten Minute erzielt der alte Haudegen Kevin Campbell das Siegtor … und ich explodiere in einen Freudentaumel, hüpfe durch das Wohnzimmer, recke meine Fäuste in die Luft, verspotte mein eigenes, traumatisiertes Kind, remple es an und zerzause ihm die Haare. Ich fürchte ich bin dazu fähig, und deshalb wäre es das vernünftigste, einsichtsvollste, heute Nachmittag einen Arzt aufzusuchen, um mich sterilisieren zu lassen. Wenn mein Vater 1969, an jenem grauenvollen Nachmittag in Wembley, ein Fan von Swindon Town gewesen wäre und sich dementsprechend verhalten hätte, würden wir seit zweiundzwanzig Jahren nicht mehr miteinander sprechen.
    Es ist mir bereits einmal gelungen, einen nachwachsenden Fan Arsenal zuzuführen. Im August 1980 kamen mein Vater und seine Familie nach mehr als zehn Jahren im Ausland, in Frankreich und Amerika, zurück nach England. Mein Halbbruder Jonathan war dreizehn und verrückt nach Soccer – teilweise infolge meines Einflusses, teilweise weil er zu einer Zeit in den Staaten war, als die heute nicht mehr existierende nordamerikanische »Soccer League« ihren Zenit erreicht hatte. Ich nahm ihn so schnell wie möglich mit zu Arsenal, so daß ihm keine Möglichkeit blieb, herauszufinden, daß das, was in White Hart Lane mit Hoddle und Ardiles ablief, unendlich viel interessanter war als das, was in Highbury mit Price und Talbot stattfand. Er war einmal vorher dagewesen, 1973, als er als Sechsjähriger die ganze Zeit über unkontrollierbar gezittert und verständnislos auf den Platz gestarrt hatte, während Arsenal seine Drittrundenpartie im Pokal gegen Leicester bestritt. Aber das hatte er schon lange vergessen, also war dieses Lokalderby früh in der Saison ein neuer Anfang. Es war kein schlechtes Spiel und ganz sicher kein Indikator für die bevorstehenden Zeiten der Verzweiflung: Erst bewahrte uns Pat Jennings, bei Tottenham ausgemustert, gegen Crooks und Archibald vor einem Rückstand, und dann kassierte irgendeiner von Tottenhams furchtbaren Post-Pat-Torhütern (Daines? Kenndall?) ein Ei, ehe Stapleton ihnen mit einer wundervollen Bogenlampe den Rest gab.
      Aber es war nicht der Fußball, der Jonathan gefangennahm. Es war die Gewalt. Überall um uns herum prügelten sich Menschen – auf der Nordtribüne, im Gästeblock, auf der Ost- und auf der Westtribüne. Alle paar Minuten bildete sich irgendwo auf den Rängen im dicht gewobenen Netz der Köpfe ein riesiger Riß, wenn die Polizei die kriegführenden Splittergruppen trennte, und mein kleiner Bruder war außer sich vor Aufregung. Er drehte sich ständig um und sah mich an, wobei sein Gesicht voll ungläubiger Freude strahlte. »Das ist Klasse«, sagte er, wieder und wieder. Danach hatte ich keine Schwierigkeiten mit ihm: Er kam zum nächsten Spiel, einer langweiligen, ruhigen Partie gegen Swansea im Ligapokal, und zu den meisten anderen in der Saison. Und jetzt haben wir beide Dauerkarten, und er fährt mich zu Auswärtsspielen, also ist alles gut ausgegangen.
    Ist er nur deshalb ein Arsenalfan, weil er lange Zeit die Erwar
    tung hatte, Menschen zu sehen, die versuchen, sich gegenseitig umzubringen? Oder liegt es nur daran, daß er zu mir aufsah – was er, wie ich weiß, unerklärlicherweise eine Weile tat, als er jünger war – und deshalb Vertrauen in mich und die Wahl meines Teams hatte? Wie auch immer, ich hatte vermutlich nicht das Recht, ihm Willie Young, John Hawley und Arsenals Abseitsfalle für den Rest seines Lebens aufzubürden, was ich letztlich getan habe. Daher fühle ich mich verantwortlich, aber ich bereue nicht, was ich getan habe: Wenn es mir nicht gelungen wäre, ihn an Arsenal zu binden, wenn er entschieden hätte, sein fußballerisches Leiden woanders zu suchen, dann wäre unser Verhältnis vollkommen anderer und möglicherweise kälterer Natur.
    Allerdings ist es lustig, daß Jonathan und ich in Highbury sitzen, Woche für Woche, und das nicht zuletzt aufgrund der bedrückenden Umstände, die zu seiner Existenz geführt haben. Mein Vater verließ meine Mutter, um mit seiner Mutter zu leben, und mein Halbbruder wurde geboren, und irgendwie hat mich das alles zu einem Arsenalfan gemacht; wie seltsam ist es da, daß sich meine besonders abartige Veranlagung auf ihn übertragen sollte,

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