Fever Pitch
von Millwall zur Melodie von »Sailing« singen: »Keiner mag uns / Keiner mag uns / Keiner mag uns / Scheißegal.« Tatsächlich habe ich immer das Gefühl gehabt, daß der Song ein wenig melodramatisch ist und daß, wenn irgend jemand ihn singen sollte das Arsenal ist.
Jeder Arsenalfan, der jüngste und der älteste, ist sich bewußt, daß keiner uns mag, und jeden Tag hören wir aufs neue von dieser Abneigung. Der durchschnittliche, auf Medien eingestellte Fußballfan – jemand, der an den meisten Tagen die Sportseiten liest, fernsieht, immer wenn etwas kommt, ein Fanzine oder Fußballmagazin liest stößt vielleicht zwei- oder dreimal pro Woche auf eine geringschätzige Erwähnung von Arsenal (etwa so oft, wie er oder sie einen Song von Lennon und McCartney zu hören kriegt, würde ich schätzen). Ich habe mir gerade das Video SAINTS AND GREAVSIE angesehen, in dessen Verlauf Jimmy Greaves dem Trainer von Wrexham dafür dankte, daß er durch den Sieg seiner Viertligamannschaft über uns im FA Cup »Millionen in Entzücken versetzte« ; das Titelblatt eines Fußballmagazins, das sich in der Wohnung herumtreibt, verspricht eine Story mit dem Titel »Warum haßt jeder Arsenal?« Letzte Woche gab es einen Artikel in einer landesweiten Zeitung, in dem unsere Spieler wegen ihres Mangels an Kunstfertigkeit angegriffen wurden; einer der Spieler, den sie heruntermachten, ist achtzehn Jahre alt und hat überhaupt noch nicht in der ersten Mannschaft gespielt.
Wir sind langweilig und haben nur Glück und sind schlecht und gereizt und reich und schäbig, und sind das alles, soweit ich das sagen kann, schon seit den Dreißigern. Damals führte der größte Fußballtrainer aller Zeiten, Herbert Chapman, einen zusätzlichen Verteidiger ein, veränderte dadurch die Art wie Fußball gespielt wurde und begründete Arsenals Ruf, destruktiven, unattraktiven Fußball zu spielen; aber zugleich nutzten spätere Arsenalteams, auf denkwürdige Weise das Double-Team von 1971, eine einschüchternd gute Abwehr als Sprungbrett zum Erfolg. (Dreizehn unserer Ligaspiele in jenem Jahr endeten 0:0 oder 1:0, und wenn man ehrlich ist, muß man sagen, daß keins davon schön anzusehen war.) Ich kann mir vorstellen, daß »Glückliches Arsenal« aus »Langweiliges Arsenal« entstanden ist, weil sechzig Jahre mit l:0-Siegen geeignet sind, die Leichtgläubigkeit und die Geduld der gegnerischen Fans auf die Probe zu stellen. Im Gegensatz zu uns ist West Harn, genauso wie Tottenham, bekannt für seine Poesie und Eleganz und dafür, daß es sich dem guten, flüssigen Fußball verpflichtet fühlt. (Statt flüssig heißt es im derzeitigen Jargon »progressiv«, ein Wort, das Leute meiner Generation qualvoll an Emerson, Lake and Palmer und King Crimson erinnert.) Genauso wie jeder eine Schwäche hat für Peters, Moore, Hurst und Brooking und die West-Ham- »Akademie«, genauso haßt und verachtet jeder Storey, Talbot und Adams und die ganze Idee und die Wirkung von Arsenal. Da ist es egal, daß der wild dreinschauende Martin Allen und der hirn- und seelenlose Julian Dicks derzeit West Harn verkörpern, so wie Van Den Hauwe, Ferrwick und Edinburgh Tottenham. Da ist es egal, daß der talentierte Merson und der glänzende Limpar für Arsenal spielen. Da ist es egal, daß wir 1989 und 1992 mehr Tore als irgendwer sonst in der ersten Division erzielt haben. West Ham, die Hammers, und Tottenham, die Lilienweißen, sind die Hüter der Flamme, die einzigen Wanderer auf dem Pfad der Wahrheit; wir sind die Kanoniere, die Westgoten, mit König Herodes und dem Sheriff von Nottingham als unser Zwillingspaar in der Innenverteidigung, die mit erhobenen Armen auf Abseits reklamieren.
West Ham, Arsenals Gegner im Pokalfinale 1980, spielte in jener Saison in der zweiten Division, und ihr unterklassiger Status ließ die Leute sogar noch mehr von der Mannschaft schwärmen. Zum Entzücken der Nation verlor Arsenal. Der »Heilige Trevor« von England erzielte das einzige Tor und erschlug das abscheuliche Ungeheuer, die Hunnen waren zurückgeschlagen, Kinder konnten wieder sicher in ihren Betten schlafen. Was blieb uns also übrig, uns Arsenalfans, die wir es die meiste Zeit in unserem Leben zugelassen haben, daß wir mit den Bösewichten gleichgesetzt werden? Nichts. Unser Sinn für Gleichmut und Groll ist fast sensationell.
Die einzigen Details des Spiels, an die sich heute noch jeder erinnert, sind Brookings außergewöhnliches Kopfballtor und Willie Youngs
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