Fever Pitch
hatten meine beiden Begleiter an diesem Nachmittag, mein Dad und mein Halbbruder, das Ereignis am nächsten Tag vergessen. Ich erinnere mich nur (wirklich nur!), weil ich das letzte Mal mit Dad in Highbury war, und obwohl es schon sein kann, daß wir irgendwann mal wieder hingehen (er hat kürzlich ein paar sehr leise Andeutungen gemacht), umgibt das Spiel jetzt eine Ende-einer-Ära-Aura.
Das Team war ungefähr in dem Zustand, in dem wir es vor zwölf Jahren vorgefunden hatten, und ich bin sicher, daß Dad sich über die Kälte und über Arsenals Unbeholfenheit beklagt haben muß, und ich bin sicher, daß ich mich für beides verantwortlich fühlte und mich entschuldigen wollte. Und ich hatte mich in entscheidender Hinsicht auch nicht groß verändert. Irgendwie war ich noch immer so schwermütig wie früher als Kind, und da ich mir dieser Schwermut mittlerweile bewußt war, begriffen hatte, was sie war, erschien sie düsterer und bedrohlicher als je zuvor. Und natürlich spielte das Team dabei immer noch eine Hauptrolle, war mit allem verbunden und führte mich in meine Tiefs oder folgte ihnen auf dem Fuß; keine Ahnung, was von beidem.
Andere Dinge hatten sich aber geändert, dauerhaft und zum Besseren, besonders in meinem Umgang mit meiner »anderen« Familie. Meine Stiefmutter hatte lange aufgehört, der Feind zu sein – in unserer Beziehung herrschte eine echte Wärme, die keiner von uns vor Jahren hätte vorhersehen können –, und mit den Kindern hatte es nie irgendwelche Probleme gegeben; aber am allerwichtigsten war, daß mein Vater und ich fast unmerklich ein Stadium erreicht hatten, in dem Fußball nicht länger das vornehmliche Mittel der Unterhaltung zwischen uns war. Ich lebte die ganze Saison 80/81, in die meine Ausbildung zum Lehrer fiel, mit ihm und seiner Familie in London; das war seit den Tagen meiner Kindheit das erste Mal, daß wir so etwas versuchten, und es klappte ganz gut. Wir hatten jetzt andere Probleme miteinander und haben sie auch heute noch. Ich glaube, das Scheitern seiner ersten Ehe muß dabei irgendwie noch immer eine Rolle spielen. Aber trotzdem ist es uns gelungen, etwas aufzubauen, was auf seine Art gut funktioniert; und obwohl es immer noch Frustrationen und Schwierigkeiten gibt, glaube ich nicht, daß unsere Beziehung von ihnen zerstört werden könnte. Ja, ich glaube nicht mal, daß unsere Probleme irgendwie schlimmer sind als die, die meine Freunde mit ihren Vätern haben – tatsächlich kommen wir viel besser klar als die meisten.
Damals dachte ich natürlich nicht an all das, weil, soweit mir bewußt war, ein 2:0-Heimsieg gegen Brighton keine tiefere Bedeutung hatte und ich davon ausging, daß es für uns beide zu einer anderen Zeit ein anderes letztes Spiel geben würde – auch wenn man festhalten muß, daß unser gemeinsames Debüt genauso unscheinbar verlaufen ist. Am besten wird es sein, uns drei dort zurückzulassen – Dad, wie er seinen Tee mit dem Inhalt seines Flachmanns krönt und sich brummelnd darüber beschwert, noch immer das gleiche alte Scheiß-Arsenal ansehen zu müssen, mich, wie ich unbehaglich auf meinem Sitz herumrutsche und hoffe, daß sich alles irgendwie zum Besseren wenden möge, und den damals immer noch kleinen Jonathan, wie er bleich vor Kälte dasitzt und sich vermutlich wünscht, daß sein Bruder und sein Vater 1968 einen anderen Weg gefunden hätten, ihre Probleme zu lösen.
Quizstunde
Arsenal gegen Manchester City – 24.2.81
Ungefähr zu dieser Zeit verirrte ich mich und blieb es die nächsten paar Jahre. Zwischen einem Heimspiel (gegen Coventry) und dem nächsten (einer Mittwochpartie gegen Manchester City) trennte ich mich von meiner Freundin, sickerten all die Dinge, die wer weiß wie viele Jahre in mir vor sich hingefault waren, zum ersten Mal nach draußen, begann ich mein Probejahr als Lehrer an einer schwierigen Schule im Westen Londons, und Arsenal erreichte bei Stoke ein Unentschieden und bekam bei Nottingham Forest eine Packung. Es war eigenartig, an diesem Abend die gleichen Spieler auf die gleiche Art wie vor drei Wochen heraustraben zu sehen: Ich hatte das Gefühl, daß sie den Anstand hätten aufbringen sollen, sich selbst neu zu erfinden und zu akzeptieren, daß die Gesichter, die Staturen und die Unzulänglichkeiten, die sie im Spiel gegen Coventry gehabt hatten, einer vollkommen anderen Zeit angehörten.
Wenn es an jedem Abend der Woche und an beiden Nachmittagen des Wochenendes ein Spiel gegeben hätte,
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