Fever Pitch
Verteidiger, so macht man das bei Arsenal) eingetauscht, bevor er auch nur ein Pflichtspiel bestritten hatte. So kam eine Zuschauermenge von mehr als vierzigtausend, obwohl Liam weg und Southampton nicht der attraktivste Gegner war.
Irgendwas ging schief – sie hatten nicht genügend Drehkreuze geöffnet, oder die Polizei hatte bei der Überwachung des Zuschauerstroms Mist gebaut, was auch immer –, und es kam zu einem riesigen Gedränge vor den Eingängen zur Nordtribüne in der Avenell Road. Wenn ich meine beiden Füße anhob, blieb ich ohne Bodenkontakt in der Menge hängen, und zeitweise mußte ich meine Arme in die Luft strecken, um mir ein ganz klein wenig mehr Platz zu verschaffen und um meine Hände daran zu hindern, sich in meine Brust und meinen Bauch einzugraben. Das war wirklich nichts Besonderes; jeder Fan kennt Situationen, in denen es für einige Augenblicke übel aussieht.
Aber ich erinnere mich, daß ich nach Atem rang, während ich dem Eingang näher kam (ich war so eingezwängt, daß ich meine Lungen nicht richtig füllen konnte), was bedeutet, daß es ein klein wenig schlimmer war als üblich. Als ich endlich das Drehkreuz passiert hatte, setzte ich mich für eine Weile auf eine Stufe, um mich zu erholen, und bemerkte, daß eine Menge anderer Leute das gleiche tat.
Aber die Sache ist die, daß ich dem System vertraute: Ich wußte, daß ich nicht zu Tode gequetscht werden konnte, weil das bei Fußballspielen nie passierte. Die Sache in Ibrox, gut, das war anders, eine unberechenbare Kombination von Ereignissen; und sowieso war das in Schottland, während eines »Old-FirmSpiels«, einem Lokalderby der Glasgower Erzrivalen, und jeder weiß, daß die besonders problematisch sind.
Nein, sehen Sie, in England wußte irgend jemand, irgendwo, was die Verantwortlichen taten, und es gab dieses System, das uns niemand je erklärt hat, welches Unfälle dieser Art verhinderte. Es mochte den A nschein haben, als hätten die Behörden, der Club und die Polizei gelegentlich ihr Glück strapaziert, aber das lag daran, daß wir nicht richtig verstanden, wie sie die Dinge organisierten. An jenem Abend lachten einige Leute im Gewühl in der Avenell Road und zogen lustige Ich-werde-erwürgtGrimassen, als die Luft aus ihnen herausgepreßt wurde; sie lachten, weil sie nur wenige Meter von gleichgültig wirkenden Wachtmeistern und berittenen Polizisten entfernt waren, und sie wußten, daß diese Nähe ihre Sicherheit garantierte. Wie konnte man sterben, wenn Hilfe so nah war?
Aber neun Jahre später, am Nachmittag der Katastrophe in Hillsborough, dachte ich an jenen Abend in der Avenell Road, und ich dachte an viele andere Nachmittage und Abende, an denen es so schien, als seien zu viele Menschen im Stadion oder das Publikum sei ungleichmäßig verteilt worden.
Mir wurde bewußt, daß ich an jenem Abend hätte sterben können und daß ich bei ein paar anderen Anlässen dem Tod sehr viel näher war als mir lieb ist. Es gab also doch keine Planung; sie hatten tatsächlich die ganze Zeit auf ihr Glück vertraut.
Mein Bruder
Arsenal gegen Tottenham – 30.8.80
Es muß viele Väter überall im Land geben, die die grausamste und niederschmetterndste aller Ablehnungen erleben mußten: Ihre Kinder wurden zu Anhängern des falschen Teams. Wenn ich mich mit Elternschaft befasse, was ich mehr und mehr tue, da meine sensible biologische Uhr auf Mitternacht zutickt, wird mir klar, daß ich aufrichtige Angst vor dieser Art von Verrat habe. Was würde ich tun, wenn mein Sohn oder meine Tochter im Alter von sieben oder acht entscheiden würden, daß Dad ein Verrückter und Tottenham, West Harn oder Manchester United das Team für sie ist? Wie würde ich damit zu Rande kommen? Würde ich mich anständig elterlich verhalten und akzeptieren, daß meine Tage in Highbury vorbei sind und ein Paar Dauerkarten für White Hart Lane oder Upton Park kaufen? Zum Teufel, nein. Ich selbst bin zu kindisch, was Arsenal anbelangt, um mich den Launen eines Kindes zu unterwerfen. Ich würde ihm oder ihr erklären, daß – auch wenn ich jede derartige Entscheidung respektieren – sie einleuchtenderweise auf meine Begleitung verzichten müssen und zusehen sollen, wie sie dorthin kommen und den Eintritt bezahlen, wenn sie ihr Team sehen wollen. Das müßte den kleinen, blöden Zwerg aufwecken.
Ich habe mir mehr als einmal vorgestellt, daß Arsenal im Pokalfinale gegen Tottenham spielt; in dieser Phantasie ist mein Sohn ein
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