Fever Pitch
»Scheiß Tränengas!« schrie jemand, und obwohl das zum Glück nicht zutraf, löste der Alarm unvermeidlicherweise Panik aus. Inzwischen strömten so viele Menschen die Nordtribüne herunter, daß wir genau gegen die flache Mauer, die uns vom Spielfeld trennte, getrieben wurden, und letztlich hatten wir keine Wahl: Mark und ich und Hunderte andere sprangen über sie hinweg auf den heiligen Rasen, gerade als West Harn im Begriff stand, eine Ecke auszuführen. Für einige Augenblicke standen wir da und waren ziemlich verlegen, weil wir während eines Spiels der ersten Division im Strafraum standen, und dann pfiff der Schiedsrichter und führte die Spieler vom Platz. Und das war mehr oder weniger das Ende unserer Verwicklung in den Zwischenfall. Wir alle wurden längs des Platzes runter zum Clock End eskortiert, und von dort verfolgten wir völlig geknickt und schweigend den Rest des Spiels.
Aber in dem Ganzen liegt eine furchtbare, erschreckende Ironie. In Highbury gibt es keine Spielfeldumzäunung. Wenn es sie gegeben hätte, dann wären diejenigen von uns, die an diesem Nachmittag in Richtung Spielfeld gedrängt wurden, in ernsthaften Schwierigkeiten gewesen. Ein paar Jahre später, im Verlauf eines FA-Cup-Halbfinals zwischen Everton und Southampton, rannten einige hundert stumpfsinnige Fans von Everton auf das Spielfeld, nachdem ihr Team einen späten Siegtreffer erzielt hatte, und der Verband (obwohl er seine Ansichten mittlerweile wieder geändert hat) beschloß, daß Highbury nicht mehr länger als Austragungsort für Halbfinals genutzt werden sollte, es sei denn, der Club würde die Fans einzäunen. Zu seiner bleibenden Ehre weigerte sich der Club (von den Sicherheitsaspekten abgesehen behindern Zäune die Sicht) trotz der erlittenen Einnahmeverluste. Wie auch immer, Hillsborough hatte die Zäune und wurde deshalb bis 1989 als ein für derartige Spiele geeignetes Stadion betrachtet; und es war bei einem FA-CupHalbfinale zwischen Liverpool und Nottingham Forest, als all diese Menschen starben. Es waren die Zäune, also genau das, was das Spiel dort stattfinden ließ, die sie töteten, die sie daran hinderten, aus dem Gedränge und auf den Platz zu gelangen.
Nach der Partie gegen West Harn wurde ein junger Arsenalfan in einer der Straßen in der Nähe des Stadions niedergestochen und starb wo er lag: ein gräßliches Ende eines bedrückenden Nachmittags. Als ich am Montag morgen wieder in die Schule ging, schimpfte und tobte ich vor einer Klasse verwirrter Sechstkläßler über die ganze Kultur der Gewalt. Ich versuchte ihnen klarzumachen, daß ihre Hooligan-Utensilien – ihre Doc Martens, ihre grünen Bomberjacken und ihre Igelfrisuren – in gewisser Weise der Ausbreitung von Gewalt Vorschub leisteten, aber sie waren zu jung, und ich konnte mich nicht klar genug ausdrücken. Und in jedem Fall war irgendwas daran ziemlich zum Kotzen – obwohl mir das damals nicht bewußt war –, daß ausgerechnet ich einem ganzen Haufen Provinzkindern erklärte, daß ein »hartes« Outfit nicht bedeutete, daß man hart war, und daß hart sein zu wollen überhaupt ein eher bemitleidenswertes Ziel war.
Die Munsters und Quentin Crisp
Saffron Waiden gegen Tiptree – Mai 1983
Ich sehe mir jedes Fußballspiel an, zu jeder Zeit, an jedem Ort, bei jedem Wetter. In der Zeit zwischen meinem elften und meinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr war ich ein Gelegenheitsbesucher in York Road, dem Zuhause von Maidenhead United, das in der Athenian League, die später zur Isthmian League wurde, spielte. Bei besonderen Anlässen ging ich sogar auf Reisen, um die Mannschaft in Auswärtsspielen zu sehen. (Ich war an jenem großen Tag 69 dabei, als sie den Berks and Bucks Senior Cup gewannen, indem sie Wolverton im Finale, das glaube ich in Chesham Uniteds Stadion stattfand, 3:0 besiegten. Und einmal kam in Farnborough ein Mann aus dem Vereinsheim und forderte die mitgereisten Gästefans auf, nicht so viel Lärm zu veranstalten.) Wenn United oder Arsenal nicht spielten, ging ich in Cambridge in die Milton Road, dem Zuhause von Cambridge City, und als ich als Lehrer zu arbeiten begann, zog ich mit meinem Freund Ray los, um seinen Schwiegersohn Les, dessen gutes Aussehen und tadelloses Verhalten ihm den Anschein eines Gary Linekers der Amateurligen gaben, für Saffron Waiden spielen zu sehen.
Einen Teil der Faszination des Amateurfußballs machen die anderen Zuschauer aus: Manche, wenn auch keineswegs alle der Leute, die den Spielen
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