Fever Pitch
wäre ich hingegangen, weil die Spiele als Satzzeichen (wenn auch nur als Kommata) zwischen trostlosen Abschnitten fungierten, in denen ich zuviel trank, zuviel rauchte und erfreulich rasch an Gewicht verlor. Ich erinnere mich an dieses Spiel so genau, weil es einfach das erste von ihnen war – ein wenig später begannen sie alle miteinander zu verschmelzen; Gott weiß, daß auf dem Feld nicht viel passierte, außer daß Talbot und Sunderland ein paar Tore reinkullerten. Aber Fußball hatte inzwischen schon wieder eine andere Bedeutung bekommen, in Verbindung mit meinem neuen Beruf. Es war mir in den Sinn gekommen – so wie es vermutlich vielen jungen Lehrern, die ähnlich veranlagt sind, in den Sinn kommt –, daß meine Interessen (besonders Fußball und Popmusik) im Klassenzimmer von Vorteil sein würden, daß ich in der Lage sein würde, mich mit den »Kids« zu »identifizieren«, weil ich den Wert von The Jam und Laurie Cunningham verstand. Es war mir nicht in den Sinn gekommen, daß ich so kindisch war wie meine Interessen; und daß die Tatsache, daß ich wußte, worüber meine Schüler die meiste Zeit redeten, mir so etwas Ähnliches wie einen Zugang verschaffen mochte, mir aber nicht half, ihnen ein besserer Lehrer zu sein. Tatsächlich wurde mein Hauptproblem – nämlich, daß an einem schlechten Tag tumultartiges Chaos in meinem Klassenzimmer herrschte – durch meine Parteinahme für Arsenal schlichtweg verschlimmert. »Ich bin Arsenalfan«, sagte ich in meinem besten, flotten Lehrertonfall, um mich so geschickt bei einigen schwierigen Sechstkläßlern einzuführen. »Buh!« erwiderten sie lautstark und langanhaltend.
An meinem zweiten oder dritten Tag bat ich eine Gruppe Siebtkläßler, auf einem Stück Papier ihr Lieblingsbuch, ihr Lieblingslied, ihren Lieblingsfilm und so weiter niederzuschreiben und ging durch die Klasse, um mit jedem einzelnen zu sprechen.
Dabei entdeckte ich, daß der Störenfried in der letzten Reihe, der mit dem Mod-Haarschnitt und dem permanenten, spöttischen Grinsen (und unvermeidlicherweise derjenige mit dem größten Wortschatz und dem besten Schreibstil), vollständig von allem, was mit Arsenal zu tun hatte, erfüllt war, und ich stürzte mich darauf.
Doch als ich mein Geständnis abgelegt hatte, gab es keine Seelenverwandtschaft oder liebevolle Umarmung in Zeitlupe; stattdessen erntete ich einen Blick schierer Verachtung. »Sie?« sagte er. »Sie? Was verstehen Sie davon?«
Für einen Moment sah ich mich selbst durch seine Augen, einen Schnösel mit einer Krawatte und einem schmeichlerischen Lächeln, der verzweifelt versuchte, sich an Orten einzuschleichen, an denen er nichts verloren hatte, und begriff. Doch dann übernahm etwas anderes – ein Zorn, der wahrscheinlich aus dreizehn Jahren in der Hölle von Highbury geboren war, und der Unwille, eines der wichtigsten Elemente meiner eigenen Identität zugunsten verkalkter und schwammiger Gesichtslosigkeit aufzugeben – das Kommando, und ich rastete aus.
Das Ausrasten nahm eine eigenartige Form an. Ich wollte das Kind am Kragen packen und an die Wand klatschen und ihn wieder und wieder anschreien: »Ich verstehe mehr davon, als du je verstehen wirst, du verdammter kleiner Klugscheißer!«, aber ich wußte, daß das nicht ratsam war. Also stotterte ich ein paar Sekunden, und dann sprudelte zu meiner Überraschung ein Sturzbach von Quizfragen aus mir heraus (ich sah zu, wie die Fragen stromartig herausperlten). »Wer erzielte unser Tor im Ligapokalfinale 69? Wer ging ins Tor, als Bob Wilson 72 in Villa Park vom Platz getragen wurde? Wen haben wir von den Spurs im Austausch gegen David Jenkins erhalten? Wer …?« Und ich machte immer weiter; der Junge saß da, die Fragen prallten wie Schneebälle vom Scheitel seines Kopfes ab, während der Rest der Klasse uns in betäubtem Schweigen zusah.
Es klappte letztlich – oder zumindest gelang es mir, den Jun
gen davon zu überzeugen, daß ich nicht der Mann war, für den er mich gehalten hatte. Am Morgen nach dem Spiel gegen Manchester City, dem ersten Heimspiel nach meiner »Quizstunde«, sprachen wir beide ruhig und herzlich über die dringende Notwendigkeit eines neuen Mittelfeldspielers, und ich hatte bis zum Ende meiner Zeit an jener Schule nie mehr irgendwelchen Ärger mit ihm. Aber mich beunruhigte, daß ich nicht imstande gewesen war, loszulassen, daß mich der Fußball, der meine Entwicklung so nachhaltig verzögerte, angesichts einer spöttischen
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