Fever Pitch
beiwohnen, sind schrecklich verrückt, möglicherweise durch die Qualität des Fußballs, den sie jahrelang angeschaut haben. (Es gibt auch auf den Rängen der ersten Division Geistesgestörte – meine Freunde und ich verbrachten Jahre auf der Nordtribüne mit dem Versuch, einem, der jede Woche in unserer Nähe stand, aus dem Weg zu gehen –, aber sie fallen bei der großen Laufkundschaft weniger auf.) In Milton Road gab es einen alten Mann, den wir aufgrund der entwaffnenden Weiblichkeit seiner weißen Haare und seines runzligen Gesichts Quentin Crisp nannten: Er trug die gesamten neunzig Minuten hindurch einen Sturzhelm und verbrachte seine Nachmittage damit, wie ein alternder Greyhound wieder und wieder seine Runden im Stadion zu drehen (man konnte ihn ganz allein am anderen Ende des Platzes sehen, wo keine Tribünen waren, wie er sich seinen Weg durch Matsch und über Schutt bahnte, wild entschlossen, seinen Rundgang abzuschließen) und den Linienrichtern Beleidigungen ins Gesicht zu schleudern – »Ich werde dem Verband einen Brief über dich schreiben« –, sobald er in ihre Nähe kam. In York Road gab es (und gibt es vielleicht noch immer) eine komplette Familie, die aufgrund ihres etwas seltsamen und unglücklichen Aussehens bei jedermann als die Munsters bekannt war, und die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Ordner für eine zweihundertköpfige Zuschauermenge zu spielen, die wirklich kein Bedürfnis nach derartigen Dienstleistungen hatte. Es gab auch Harry Taylor, einen sehr alten und etwas einfachen Mann, der nicht bis zum Ende der Wochenspiele, die am Dienstag stattfanden, bleiben konnte, weil Dienstag Badetag war, und der bei seinem Eintreffen mit dem Sprechgesang »Harry Harry, Harry Harry, Harry Harry, Harry Taylor« zur Melodie des alten Hare-KrishnaGesangs begrüßt wurde. Der Amateurfußball zieht diese Leute vielleicht geradezu von Natur aus an, und ich sage das in dem vollen Bewußtsein, daß ich einer der Leute bin, die dieser Anziehungskraft erliegen.
Ich wollte immer einen Ort finden, an dem ich mich in den Gesetzmäßigkeiten und Rhythmen des Fußballs verlieren konnte, ohne mich um das Ergebnis zu kümmern.
Ich habe diese Vorstellung, daß das Spiel unter den richtigen Umständen als eine Art New-Age-Therapie dienen könnte und die hektische Bewegung vor mir irgendwie mein ganzes Inneres aufsaugen und dann auflösen würde, doch das klappt nie so. Als erstes lenkten mich die Verschrobenheit ab – die Fans, die Rufe der Spieler ( »Setz ihn in die Teebar!« forderte Maidenheads Micky Chatterton, unser Held, einen Mitspieler nachdrücklich auf, der sich eines Nachmittags einem besonders trickreichen Außenstürmer gegenübersah), die seltsame, miserable Darbietung der Unterhaltung (Cambridge City lief zur Titelmelodie von MATCH OF THE DAY auf das Feld, doch häufig brach die Musik gerade im entscheiden Moment mit einem bemitleidenswerten Ächzen ab). Und wenn ich mich dann soweit auf das Ganze eingelassen habe, fange ich an, mich ernstlich darum zu kümmern; und bald beginnen Maidenhead, Cambridge und Waiden mehr zu bedeuten als sie sollten, und schon stecke ich wieder mittendrin, und dann kann die Therapie nicht funktionieren.
Saffron Waldens winziges Stadion ist einer der nettesten Orte, an dem ich jemals Fußball angesehen habe, und die Menschen dort erschienen immer verblüffend normal zu sein. Ich ging hin, weil Ray, Mark und Ben, ihr Hund, hingingen, und ich ging, weil Les spielte; und nach einer kleinen Weile, als ich die Spieler kennengelernt hatte, ging ich hin, um einem begabten, faulen Stürmer zuzuschauen, der unwahrscheinlicherweise Alf Ramsey hieß, angeblich ein starker Raucher war und im klassischen Greaves-Stil nichts tat, außer ein- oder zweimal pro Spiel zu treffen.
Als Waiden an einem milden Maiabend Tiptree 3:0 schlug und was weiß ich gewann – den Essex Senior Cup? –, umgab das Ergebnis eine Wärme, die der Profifußball nie wird bieten können. Eine kleine, parteiische Zuschauermenge, ein gutes Spiel, eine Mannschaft, deren Spieler eine aufrichtige Liebe mit ihrem Club verband (Les spielte während seiner ganzen Karriere für niemand anderes und lebte wie die meisten seiner Mitspieler im Ort) … und als am Ende des Spiels die Zuschauermenge auf das Feld rannte, war das nicht als ein Akt der Aggression oder als Draufgängertum oder als der Versuch, jemandem die Show zu stehlen, gedacht, wie es Invasionen des Spielfeldes so häufig sind, sondern um
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